Monatsbericht für die Nursery-Gruppe:
Die Nursery erlitt im Dezember zwei weitere Verluste: zuerst starb am 13. der kleine Bhaawa, und am 21. folgte ihm Baby Shaba. Natürlich wurde die Weihnachtsvorfreude dadurch stark gebremst und wir blieben mit 20 Babies in der Nursery zurück.
Bhaawa war fünf Monate alt als er am 15. Oktober aus Maralal in Nord-Kenia eingeflogen wurde, wo ihn Hirten aus dem Schlamm eines austrocknenden Wasserloches befreit hatten. Obwohl er sehr abgemagert und traumatisiert war, wuchs er zu Beginn ganz ordentlich. Später jedoch bezeichneten die Keeper seine Entwicklung als schwerfällig, was man auch „kümmern“ (schlecht wachsen) nennt. Seit Kenia ihn zurückwies, wenn er an ihren Ohren saugen wollte, schien er den Lebenswille verloren zu haben. Seinen Appetit hatte er allerdings nie verloren und trank bis zum Tag vor seinem Tod noch täglich 23 Liter Milch. Ganz offenbar konnte er die Nahrung im Darm nicht absorbieren. Das brachte alle unsere Tierärzte zur Verzweiflung, weil andere die Behandlung bei gleicher Symptomatik gut verkraften hatten. Die Obduktion nach seinem Tod ergab keine Veränderungen in den lebenswichtigen Organen, aber sowohl Dünn- als auch Dickdarm waren schleimig und mit schwarzen Punkten übersät. Das würde die Farbe des Stuhls erklären, etwas, das auch bei Emilys Baby Eve beobachtet werden konnte. Die in der Wildnis geborene Eve war von ihrer Mutter zum Aufpäppeln in die Voi-Stallungen gebracht worden, weil sie durch die schlimme Dürre im Land völlig ausgezehrt war. Nur kurz vor seinem Tod hatte auch Bhaawa seinen Fuß verdreht, ein Symptom, das wir bei all unseren Kälbchen beobachten konnten, die an der mysteriösen Krankheit dahinsiechten. Wir haben auch schon von einem Kamelkälbchen im Norden Kenias gehört, die an den gleichen Symptomen zu leiden scheinen.
Auch Baby Shaba wurde einfach immer schwächer und starb in einem Zuständ erbärmlicher Abmagerung, obwohl auch sie bis kurz vor ihrem Tod am 21. Dezember ordentlich fraß. Aber auch er litt am „Fuß-Schiefhaltungs-Syndrom“ und auch er wirkte bei seiner Ankunft am 20. September gesund, aber wuchs nie ordentlich.
Suguta, Ndii und Olare teilen sich die Pflichten der Leitkuh mit Dida, die aufgrund ihres ruhigen und freundlichen Charakters kein Problem damit hat, dass man ihr ein paar Aufgaben abnimmt. Suguta behält die Jüngsten im Auge und weist die Ausreißer zurecht. Sie hat immer noch eine Schwäche für Kibo und spielt oft mit ihm im Wasser. Klein Mutara ist ebenfalls wundervoll, selbstbewusst und verspielt; sie setzt sich oft für Chaffa und Shukuru ein, wenn sie von Tano herum geschubst werden. Mutara interessiert sich mittlerweile aber auch sehr für die älteren Elefanten, spielt gerne mit ihnen oder fordert sie heraus. Die älteren Waisengruppen haben sich inzwischen zusammengeschlossen. Die Gruppen von Suguta und Dida bleiben inzwischen den ganzen Tag zusammen, außer zwischen 11 und 12 Uhr, wenn sie gefüttert und besucht werden. Die älteren Waisen sind gern zusammen und es bahnen sich wieder viele neue Freundschaften an. Turkwel geht es inzwischen sehr gut, und sie hat sogar zugenommen. Sie entwickelt sich sogar zu einem eifersüchtigen und ausgebufften Schlitzohr, wenn es um die Milchmahlzeit geht. Dann schubst sie gerne die anderen Waisen oder Keeper herum.
Chaffa hat uns in diesem Monat große Sorgen bereitet, als sie plötzlich zusammenbrach und Sekret aus ihrem Rüssel lief. Das ist immer ein Indiz für die gefürchtete Lungenentzündung. Sie bekam sofort und für fünf Tage Enrofloxazin (ein Breitbandantibiotikum, dass Kibo aus einer ähnlichen Misere rettete). Und auch Chaffa scheint die Lungenerkrankung überstanden zu haben. Allerdings leidet sie jetzt an einer Fuß-Schiefhaltung. Im Unterschied zu den anderen Waisen mit diesem Symptom, legt sie aber wieder an Gewicht zu, so dass wir hoffen, dass ihr Fußproblem nur eine Folge der starken Abmagerung war und es sich früher oder später wieder gibt. Nur die Zeit wird dies zeigen.
In der Zwischenzeit haben wir Urin und Blut untersucht. Es gab keinen Hinweis auf eine von Zecken übertragene Krankheit der roten Blutkörperchen und keinen Proteinverlust über die Nieren. Da unsere Möglichkeiten für konventionelle Laboranalysen nunmehr erschöpft sind, versuchen wir jetzt alternative Heilmethoden wie Körpersprache, Homöopathie und alles andere, was uns noch auf die Fährte der mysteriösen Krankheit bringen könnte, die in diesem Jahr der Dürre so viele Elefantenbabys das Leben gekostet hat. Vor allem die Wildtiere, egal welcher Art sie angehörten, erlitten hohe Verluste. Da die globale Erwärmung nicht mehr abzuwenden scheint, v.a. auch nach der erfolglosen Klimakonferenz in Kopenhagen, wird es wohl auch 2010 wieder ähnlich viel Unglück für alle Lebewesen geben, die sich diesen kleinen Planeten mit der selbstgefälligen und gierigen Spezies Mensch teilen müssen. Der wird sich allerdings ultimativ auch selbst vernichten.
Monatsbericht für die Ithumba-Gruppe:
Die Freude über die Neuankömmlinge des letzten Monats (Meibai, Naimina und Enasoit) ist ungebrochen. Die Ex-Waisen haben die Jüngsten regelmäßig besucht, und Enasoit wird von allen Kühen vergöttert. Er wird rund um die Uhr beschützt und umsorgt. Besonders Loijuk, Yatta und Nasalot haben sich in ihn verliebt. Oft fressen sie gemeinsam und baden als große Herde zusammen im Schlamm. Die Ex-Waisen waren aber nicht nur da, um die Kleinen beim Verlassen der Stallungen zu begrüßen, sondern auch, um sie abends zurück zu begleiten.
Ol Malo geht es ein wenig besser, sie schläft momentan mit den drei neuen Babys in den Stallungen. Einige Male ist sie auch nachts mit Yatta in den Busch gegangen, da Yatta sorgfältig auf sie Acht gibt und sie jederzeit zu den Kleinen zurückbringt, wenn sie das möchte.
Die Regenstürme setzten sich auch in diesem Monat fort und haben Ithumba von einem vertrockneten Buschland in ein wunderschönes, saftig-grünes Schlemmerparadies verwandelt. Die Vegetation hat sich weitestgehend erholt und die Waisen genießen das in vollen Zügen. Es gibt so viel Grünzeug um sie herum, dass sie meistens schon mit äsen beginnen, wenn sie gerade erst die Stallungen verlassen haben und Richtung Schlammbad laufen. Schon auf dem Weg dorthin haben sie herrlich viel Freude daran, im Schlamm hin und her zu rutschen oder sich schon in kleinen Suhlen am Wegesrand zu wälzen. Da es jetzt überall genug Futter und Wasser gibt, haben sich die Wildtiere wieder verstreut, und so hatten wir in diesem Monat kaum wilde Elefanten an der Stalltränke. Gegen Ende des Monats stattete Rafiki, zusammen mit den Ex-Waisen, den Kleinsten in den Stallungen einen Besuch ab. Er wollte sie offenbar noch begrüßen, denn er kam von weit her. Sowohl die Keeper als auch die Waisen waren glücklich, ihn wohlauf zu sehen. Während sich Yatta und Nasalot überschwänglich freuten, hielten die Neuankömmlinge noch respektvoll Abstand.
Es gab in diesem Monat ein paar Veränderungen in der Gruppe der Ex-Waisen: Wendi verbrachte die meiste Zeit mit Yattas Gruppe und trat ihre Leitkuh-Position vorerst an Galana ab. Napasha und Rapsu dagegen wechselten in Wendis Gruppe. Auch Kamboyo schloss sich am 5. Wendis Gruppe an und scheint dort seinen Platz gefunden zu haben. Er fühlt sich in der Gruppe der wilden Waisen offenbar sehr wohl und macht keinen Anschein, zu den Jüngeren zurückkehren zu wollen. Einmal kam er mit Wendis Gruppe an die Stallungen und prahlte ein bisschen mit seiner Stärke, indem er draußen mit Taita und Rapsu spielte, bevor die Gruppe wieder weiterzog. Auch Kenze geht ab und an mit auf Nachtwanderung, aber er kehrt anschließend lieber zu seinen jungen Freunden zurück.
Am 30. Dezember, auf dem Rückweg zu den Stallungen, verdrückten sich Sidai, Naserian, Meibai und Zurura heimlich vor ihren Keepern. Loijuk bekam den Auftrag, den Rest der Gruppe schon einmal zurück nach Hause zu bringen, während sich die Keeper auf die Suche nach den Vermissten machten. Nur zehn Minuten später kehrten alle zusammen zurück. Aufgrund des unerschöpflichen Nahrungsangebotes wollen die älteren Waisen aus Naserians Gruppe neuerdings nachts lieber draußen bleiben. Da Meibai und Naimina, die auch sehr an Naserian hängen, dafür allerdings noch zu jung sind, ist es besser, sie noch ein bisschen in der alten Gewohnheit zu lassen.
Monatsbericht für die Voi-Gruppe:
Seit dem Einsetzen der Regenfälle erholt sich die Region um Voi endlich wieder von den Folgen der Dürre. Die Waisen haben an Gewicht zugelegt und genießen das frische Grün. Jetzt, da es überall wieder Futter in Hülle und Fülle gibt, verbringen die Elefanten fast den ganzen Morgen mit Fressen, am späten Vormittag spielen sie zusammen, bevor sie dann ihre Milch bekommen und zum Schlammbad aufbrechen. Emilys und Edies Gruppen waren viel in der Nähe, auch wenn sie im Dezember nicht mehr so oft bei den Stockades auftauchten wie noch im Vormonat. Wahrscheinlich liegt das daran, dass es nun wieder überall Wasser und Grünfutter gibt.
Die Neuankömmlinge Kenia und Shira werden von allen Waisen vergöttert und haben sich sehr gut eingelebt. Shira ist öfters mit Mzima schwimmen gewesen und Kenia fühlt sich wie zu Hause, wieder vereinigt mit ihren alten Freunden aus der Nursery. Manchmal führt sie am Morgen sogar die Herde zum Grasen nach Msinga Hill.
Den 3. Dezember verbrachten die jungen Waisen mit Emilys und Edies Gruppen, die von einem wilden Bullen begleitet wurden. Alle spielten wunderbar zusammen; Lolokwe und Sosian interessierten sich besonders für Kenia, während Mweya besonderes Augenmerk auf Shira legte. Wasessa war höchst bedacht darauf, dass ihr keiner der Ex-Waisen Tassia wegnahm. Die beiden sind inzwischen sehr eng befreundet, fressen meistens in der Nähe des anderen, und Tassia darf sogar an Wasessas Ohren saugen.
Edies Gruppe kam schon am nächsten Tag wieder zum Schlammbad. Laikipia hat inzwischen ein Faible für Siria entwickelt und die beiden waren die ganze Zeit damit beschäftigt, ihre Kräfte zu messen. Laikipia erlaubte Siria ihn zu schubsen, obwohl er eigentlich viel größer und stärker ist. Elefanten verhalten sich oft so wie wir Menschen, ihre sozialen Bindungen und ihre Art, Freundschaften zu pflegen, ähnelt den unseren. Lempaute interessierte sich vor allem für Edies Kälbchen. Unter Edies Aufsicht durfte sie den ganzen Tag mit Ella spielen. Salama beschäftigte sich mit Kenia und Mweya spielte mit Mzima.
Am 22. Dezember um 6 Uhr morgens kam Edies Gruppe noch einmal zu den Stallungen und erwischten die Waisen bei ihrem Weg zum Fressplatz. Laikipia und Siria begannen gleich wieder mit ihren Kraftspielchen und Laikipia zeigte Siria ein paar wichtige Tricks. Die Ex-Waisen begleiteten die Jüngsten zum Msinga Hill.
Die Gruppe, die nach wie vor die Betreuung der Keeper braucht, verlebte noch einen wundervollen letzten Monat im Jahr 2009, ein Jahr, dass von den Wildtieren Kenias und auch den Waisen einiges abverlangte. Es gab im letzten Monat zahlreiche fröhliche Momente, vor allem als der Regen einsetzte und sie viele ihrer alten Freunde wiedersahen.