Amboseli war zum Jahreswechsel 2024/2025 besonders schön, da es ergiebige Regenfälle gegeben hatte, die ein üppiges Pflanzenwachstum zur Folge hatten. Insgesamt waren im Dezember 80 mm Regen gefallen und im Januar dann weitere 44 mm. Die Niederschläge und die Vegetation kamen sowohl den Wildtieren als auch dem Vieh der benachbarten Bevölkerung zugute, die sich einen Großteil des Amboseli-Ökosystems teilen. Regenreiche Zeiten sind für die Schutzbemühungen immer eine große Erleichterung, da die Konkurrenz zwischen Vieh und Wildtieren dann stark abnimmt und Konflikte sich deutlich reduzieren. In der Zeit des Jahreswechsels versammelten sich die Elefanten von Amboseli in großen Gruppen, um ihre sozialen Kontakte und Beziehungen zu erneuern, Informationen auszutauschen und einfach die gemeinsame Zeit zu genießen. Elefanten sind hochsoziale Tiere, die oft eine Vielzahl von Freundschaften pflegen, welche sich keineswegs auf die Mitglieder der eigenen Familie beschränken, sondern auch Angehörige benachbarter Gruppen mit einbeziehen.
Enid, die Matriarchin der EBs
Wie immer in Zeiten reicher Regenfälle hatten viele Familien und unabhängige Bullen den Park verlassen, um außerhalb liegende Gebiete zu nutzen. Es gab aber auch Familiengruppen, welche lieber die meiste Zeit innerhalb der Parkgrenzen blieben, beispielsweise die AAs und PCs, und wieder andere, welche regelmäßig zwischen den innerhalb und außerhalb liegenden Weidegründen hin- und herpendelten, darunter die KBs.
Die AA-Familie hatte sich während der letzten Monaten gut entwickelt. Sie hielten sich häufig im Zentrum des Parks auf und kamen oft sogar in die Nähe des Camps vom Amboseli Trust for Elephants (ATE). Angelina und Abra waren oft zusammen unterwegs, begleitet von ihren Kälbern, die ein ähnliches Alter haben. Trotz der unterschiedlichen Geschlechter sind die beiden Kälber in diesem frühen Alter noch hervorragende Spielkameraden. Erst später tendieren männliche und weibliche Kälber zu etwas unterschiedlichem Spielverhalten.
Elise, die Tochter Enids
Mehrere Familien durften sich über neuen Familienzuwachs freuen: So brachte beispielsweise im Dezember Garamba von den GBs ein weibliches Kalb zur Welt und Flossie von den FBs im Januar ein männliches. Für Flossie, mit 42 Jahren die älteste Kuh ihrer Familie, ist es bereits das achte Kalb, doch haben die zuvor geborenen sieben leider alle nicht überlebt. Die meisten ihrer Kälber starben während der Dürreperioden, was daran erinnert, wie raue Umweltbedingungen das Leben der Elefantenfamilien beeinträchtigen können.
Auch für Garamba war die Geburt ihres neuesten Kalbs etwas ganz Besonderes, da sie ihre letzten drei Kälber durch Dürreperioden verloren hat und nur Gakuo, geboren 2011, noch lebt. Da die derzeitigen klimatischen Bedingungen günstig sind, ist das ATE-Team zuversichtlich, dass der jüngste Zuwachs gut gedeihen wird.
Echo (rechts), die ehemalige Matriarchin der EBs, mit ihren Töchtern Erin (Mitte) und Enid (links)
Von den EBs bekam das ATE-Team nur den Teil, der von Enid geführt wird, zu sehen – und auch das nur dreimal im Dezember. Enid, inzwischen 43 Jahre alt, führt das Erbe ihrer Mutter, der berühmten Matriarchin Echo, fort. Während die EBs unter Echos Führung einst zu den größten Familien in Amboseli gehörten, spalteten sie sich nach Echos Tod in drei Gruppen auf – ein Beleg dafür, wie tiefgreifend sich der Tod einer Matriarchin auf die Struktur einer Elefantenfamilie auswirken k.
Im Fall der EBs haben sich über die Jahrzehnte auch ihre Bewegungsmuster stark verändert. Zu Echos Zeiten blieben sie fast das gesamte Jahr innerhalb des Parks und verließen diesen meistens nur einmal im August, um bis zum Kilimanjaro im benachbarten Tansania zu ziehen. Inzwischen sind die EBs viel häufiger außerhalb der Parkgrenzen unterwegs. Dies zeigt, wie Führungswechsel, veränderte Umweltbedingungen und die menschliche Entwicklung das Verhalten von Elefantenfamilien stark beeinflussen können.
Enid
Die Rolle der Matriarchin bei der Entscheidungsfindung wird durch ihre Erfahrung, die Familiengröße, den Reproduktionsstatus und die Verfügbarkeit von Ressourcen bestimmt. Da erfreulicherweise immer mehr zusätzliche Schutzgebiete außerhalb des Nationalparks entstanden sind, ist es gut möglich, dass die EBs neue Weidegründe gefunden haben, die ihnen zusagen. Da der Amboseli-Nationalpark relativ klein ist, waren die Elefanten schon immer darauf angewiesen auch außerhalb nach Nahrung zu suchen. Mit dem Wachsen der menschlichen Bevölkerung wurde dies zunehmend schwieriger. Doch intensive Bemühungen verschiedener NGOs und die Bereitschaft der benachbarten Gemeinden zur Kooperation mit ihnen ermöglichten es den Elefanten und anderen Wildtieren weiterhin, den dringend benötigten Lebensraum zu sichern, in dem neue Schutzgebiete geschaffen und Wanderkorridore offengehalten wurden.
Die Bewegungsmuster werden nicht nur von den Vorlieben der Matriarchin bestimmt. Andere Faktoren wie Niederschlagsmengen, Nahrungsverfügbarkeit und die Präsenz menschlicher Aktivitäten spielen eine wichtige Rolle. In den Gebieten um die Parkgrenzen, die häufig von Maasai-Hirten genutzt werden, wurde in jüngerer Zeit viel gebaut: Häuser, Schulen und Farmen. All das kann die Wahl der Familien beeinflussen. Enids Entscheidung, ihren Teil der Familie weg von den zentralen Amboseli-Sümpfen zu führen, könnte eine Reaktion auf die zahlreichen Veränderungen sein, von denen das Amboseli-Ökosystem im Laufe der Jahre betroffen war.
Enid
Das Wissen, das von Echo an Enid und ihre Verwandten weitergegeben wurde, unterstreicht die Bedeutung der Matriarchinnen für die Gestaltung des Familienverhaltens. Während Enid ihre Familie durch eine sich verändernde Landschaft führt, werden ihre Entscheidungen einen bleibenden Einfluss auf künftige Generationen haben und uns an die Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit der Elefanten in Amboseli erinnern.
August und September brachten kühleres und trockeneres Wetter nach Amboseli. Im September ist es zudem oft sehr windig und die Luft voller feinem Staub, der überall eindringt. Doch wenn es auch manchmal etwas trostlos aussieht, so sind diese Monate doch ein Teil des natürlichen Zyklus der Jahreszeiten in Amboseli. Und durch die zu Jahresbeginn ergiebigen Regenfälle befand sich auch jetzt die Vegetation noch immer in einem guten Zustand, so dass die Wildtiere genügend Ressourcen hatten, um zurecht zu kommen. Viele Gnus und Zebras kehrten in den Park zurück, da die Vegetation außerhalb des Parks nun allmählich knapper wurde. Auch die Elefanten kehrten in großer Zahl zurück und schlossen sich jenen an, die während der Regenzeit im Park geblieben waren. So begegnete das ATE-Team häufig Familien wie den AAs, EBs, FBs, GBs, KAs, LCs und PCs. Oft schlossen sich diese in großen Verbänden zusammen. Die GBs wurden mehrfach in solchen Versammlungen entdeckt. Diese Zusammenschlüsse zeigen besonders deutlich, wie sozial Elefanten veranlagt sind. Sie entwickeln komplexe Netzwerke aus Beziehungen, die weit über die eigene Familie hinausreichen.
Lynx mit einem Teil der LA1-FamiliePhoenix besitzt einen besonders ungewöhnlichen Stoßzahn
Die vielen Elefantenkühe, die jetzt im Park anzutreffen waren, lockten auch viele Bullen an, die nach paarungsbereiten Kühen Ausschau hielten. Isaiah und Toby II waren zwei von ihnen, welche das ATE-Team gut kennt. Die vielen Elefanten, denen das ATE-Feldteam nun begegnete, sorgten auch für viel Beschäftigung. Norah, Katito und ihre Kolleginnen nutzten die günstige Gelegenheit, um die demografischen Daten auf den neuesten Stand zu bringen. Die Überwachung der Elefanten gehört seit über 50 Jahren zur Routine der Forscherinnen, aber sie ist nach wie vor eine anspruchsvolle Aufgabe. Da die Kälber wachsen und dabei ihr Aussehen verändern, müssen die ID-Fotos laufend aktualisiert werden, vor allem bei den männlichen Tieren, um sicherzustellen, dass man sie auch weiter identifizieren kann, wenn sie unabhängig werden
Isaiah
Toby II
In den letzten Jahren hatten Cynthia Moss und ihr Team ein Forschungsprojekt über junge Bullen und ihren Weg in die Unabhängigkeit durchgeführt. Die Studie brachte neue und interessante Einblicke in das Leben junger männlicher Elefanten und hat die Schutzstrategien des ATE weiter vorangetrieben. Junge Bullen wandern über riesige Entfernungen, dringen zu neuen Populationen vor und gehen dabei viel größere Risiken ein als Kühe oder ältere Bullen. Die Ergebnisse der Studie haben auch dazu beigetragen, bestimmte Gebiete als Korridore für Elefanten zu sichern, damit sie weiterhin in der Lage sind ihre Wanderungen durchzuführen.
Das Feldforschungsteam des ATE stützt sich vor allem auf zwei sehr erfahrene Frauen, Norah und Katito, die absolute Expertinnen auf ihrem Gebiet sind. Inzwischen engagieren sie sich auch dabei, der nächsten Generation von Kenianern ihre Fähigkeiten beizubringen, damit diese Arbeit noch lange fortgesetzt werden kann.
Cecilia, eine Praktikantin beim ATE, und Norah
So hatte der ATE in den letzten Monaten einer jungen Praktikantin Einblicke in die Arbeit der Feldforschung ermöglicht, in der Hoffnung, sie für die Mitarbeit und Fortführung dieses Projekts zu interessieren. Sie heißt Cecilia Parsae und ist eine Frau aus der lokalen Massai-Gemeinde. Grundvoraussetzung für die Arbeit in der Feldforschung ist es zu lernen, wie man die Elefanten identifiziert. Hierfür benötigt man etwa ein Jahr konsequenter Arbeit vor Ort, so dass Hingabe und Leidenschaft für die Elefanten eine notwendige Voraussetzung sind. Cecilia ist jetzt noch kein festes Mitglied des Teams, aber sie wird es hoffentlich in den kommenden Monaten werden. Bis jetzt genießt sie ihre Zeit in Amboseli und lernt so viel wie möglich über Elefanten und die Arbeit mit ihnen.
Norah (2. von links) mit ihren Schülern: Cecilia Parsae (links), Dr. Anna Estes (2. von rechts) und John Makindi (rechts)
ATE vermittelt seine Kenntnisse auch anderen Organisationen. So führte Norah im September eine Schulung für zwei Mitglieder des Greater Serengeti Elephant and Ecosystem Project durch. John Makindi und Dr. Anna Estes wurden in den Bereichen Altersbestimmung und Geschlechtsbestimmung im Feld, schnelle Altersbestimmung und Gruppendynamik geschult. Zu ihnen gesellte sich auch Cecilia, die dabei ihre Fähigkeit, Elefanten zu identifizieren, erweiterte und noch mehr über ihr Verhalten und ihre Biologie lernte.
Cecilia lernt, das Alter eines verstorbenen Elefanten anhand seines Kiefers zu bestimmen
Die AAs wurden besonders oft gesehen, und es geht allen gut. Arden und Airstreams neue Kälber entwickeln sich hervorragend und sind gute Freunde geworden. Ende August erhielt das Team des ATE den Anruf eines Tour-Guides, der berichtete, dass er eine Elefanten-Geburt knapp verpasst hatte. Er schickte aber ein Foto des frisch geborenen Kalbes und seiner Mutter, welche das Team sofort als Anghared erkannte, die ein männliches Kalb zur Welt gebracht hatte. Die AA-Familie hat dieses Jahr bereits mehrere neue Familienmitglieder bekommen und scheint sich langsam von den Verlusten zu erholen, die sie während der letzten Dürre erlitten hatte. Wir freuen uns sehr über die neuen Familienmitglieder und hoffen, dass sie sich weiter so positiv entwickeln werden.
Auch die EBs wurden in den letzten Monaten regelmäßig gesehen, und alle Familienmitglieder scheinen gesund zu sein. Das ATE-Team geht davon aus, dass mehrere Kühe Nachwuchs erwarten. Allerdings ist bis jetzt noch keines zur Welt gekommen. Es ist also noch etwas Geduld gefragt.
Elif von den EBs versucht, einen Geruch zu identifizieren
Enid, die Matriarchin, scheint sich von ihrer schlechten körperlichen Verfassung erholt zu haben, und ihr Verhalten, das auf Krankheit oder Depressionen (oder beides!) hindeutete, hat sich deutlich geändert. Nach dem Verlust ihres Kalbes und während der jüngsten Dürre war sie nicht mehr sie selbst gewesen, zog sich oft zurück und verlor etwas an Kondition. Ihre Tochter Elise blieb aber immer an ihrer Seite. Die Bindung zwischen den beiden ist sehr stark, was typisch für Mutter-Tochter-Beziehungen bei Elefanten ist.
Enid, die Matriarchin der EB-Familie
Eliot sah ebenfalls sehr gut aus, und ihr Kalb erwies sich als wahnsinnig kontaktfreudig und verspielt. Bei einer Gelegenheit beschloss Eliots Kalb, mit dem ATE-Forschungsfahrzeug zu spielen, indem es auf dieses zurannte, einen Angriff vortäuschte, sich spielerisch drehte und laut trompetete. Eliot und die anderen älteren Kühe hielten sie nicht zurück und versuchten auch nicht, das Spiel zu beenden. Ein schöner Beleg für das Vertrauen, das zwischen ihnen und dem ATE-Team herrscht.
Eliots verspieltes Baby
Sowohl Enids als auch Edwinas Teil der Familie kommen regelmäßig in das ATE-Camp und wecken das Team manchmal in der Nacht auf, da sie ganz in der Nähe der Zelte weiden. Alle aus dem Team lieben es, wenn die EBs im Camp sind, auch wenn dadurch die eine oder andere Ruhestörung verursacht wird! Außerdem: Wie könnte man besser wieder einschlafen als mit der Gewissheit, dass Elefanten das Zelt umgeben und bewachen?
Eliot in der Nähe des ATE-Camps
August und September waren also sehr angenehme Monate für die Elefanten in Amboseli, und das Team des ATE freute sich mit ihnen über die guten Bedingungen. Nur ein Problem bereitete dem ATE-Team noch immer Sorgen: Die Trophäenjagd im benachbarten Norden Tansanias. Diese war letztes Jahr nach fast 30-jähriger Pause wieder genehmigt worden und bedroht auch einen Teil der Elefanten Amboselis, vor allem die großen Bullen, wenn diese auf ihren regelmäßigen Wanderungen die Grenze zu Tansania überqueren. Trotz allen Einsatzes des ATE und anderer NGOs, die tansanische Regierung zu einem erneuten Jagdverbot zu bewegen, kann leider noch von keinem Erfolg berichtet werden.
Allerdings hätten im Juli eigentlich die neuen Jagdquoten bekanntgegeben werden sollen, was aber bis jetzt noch nicht erfolgt ist. Außerdem gibt es Informationen, wonach die kenianische und tansanische Regierung endlich Gespräche aufgenommen haben, um für dieses Thema eine Lösung zu finden. Das lässt hoffen, dass die Gefahr durch Trophäenjagd für die Elefanten Amboselis doch wieder beendet werden kann.
Cynthia Moss und ihr Team werden weiter alles in ihrer Macht stehende tun, um dieses Ziel zu erreichen. Wer sie dabei unterstützen möchte, kann ihre Petition unterzeichnen, mit der sie die tansanische Regierung auffordern, die Trophäenjagd im Norden des Landes wieder zu beenden. Hier der Link zur Petitionsseite:
Außerdem wäre es sehr hilfreich, Appelle an die Botschaften Kenias und Tansanias zu senden, und diese ebenfalls aufzufordern, sich für eine Beendigung der Jagd auf Elefanten in Nord-Tansania einzusetzen. Wir haben hierfür zwei Musterbriefe vorbereitet, jeweils in Deutsch und Englisch, sowie eine Liste der Adressen der Botschaften in Deutschland, Österreich und Schweiz. Hier die Links zu diesen Seiten:
Reiche Regenfälle prägten die Monate April und Mai in Amboseli, was ein besonders starkes Pflanzenwachstum zur Folge hatte. Dadurch war sowohl die Nahrungsversorgung der Wildtiere wie die des Viehs als auch die der Menschen in den umliegenden Gemeinden bestens gesichert. Im April wagten sich zahlreiche Elefanten über die Grenzen des Parks hinaus, wo ihnen nun überall Wasser und frisches Grün zur Verfügung standen.
Für die Feldforscherinnen Norah und Katito vom Amboseli Trust for Elephants (ATE) war es daher nicht einfach, die verschiedenen Familien im Auge zu behalten. Viele waren nur selten oder gar nicht zu sehen. Letzteres traf beispielsweise auf die OAs und die EBs zu.
Zvi, ein Bulle in Musth, folgt einer Kuh aus der MB-Familie
Bei den OAs wird es ohnehin schon seit einiger Zeit immer schwieriger, sie zu finden. Seit dem Tod ihrer Matriarchin Orabel im Jahr 2019 kommen sie immer seltener in den Park. Der von Olympia geführte Familienteil wird hier kaum noch gesichtet und der andere Familienteil, der Onyx folgt, ist auch nur noch sporadisch zu sehen. Solche Entwicklungen sind nicht ungewöhnlich. Der Wechsel einer Matriarchin hat oft auch eine Veränderung im Wanderverhalten zur Folge.
Die EBs verbringen hingegen noch oft Zeit innerhalb des Park, allerdings nicht während der letzten Monate. Ihre Matriarchin Enid hatte sie vermutlich nach Tansania geführt, wo auch ein wichtiger Teil ihrer Weidegründe liegt. Glücklicherweise droht ihnen von den dort aktiven Trophäenjägern keine Gefahr, da diese es auf Bullen abgesehen haben. Das ATE-Team wartet aber trotzdem mit Spannung auf die Rückkehr der EBs und hofft, dass es ihnen gut geht.
Mitglieder der MB-Familie
Einige Familien hielten sich aber weiterhin mehr oder weniger häufig innerhalb des Parks auf, darunter die AAs, FBs, GBs, MBs und PCs. Da sich die Vegetation durch die reichhaltigen Niederschläge schnell erholte und es nur wenig Konkurrenz durch andere Familien gab, fanden die im Park verbliebenen Elefanten ein reiches Nahrungsangebot vor, ohne weite Wanderungen zurücklegen zu müssen.
Auch die FBs wurden relativ oft gesehen, und sie machten einen sehr guten und gesunden Eindruck. Ihre Kälber waren verspielt und lebhaft, was auch ein gutes Zeichen ist. Fenekes letztes Jahr geborene Tochter hatte viel Spaß mit den allgegenwärtigen Kuhreihern, während sie in der hohen Sumpfvegetation herumtobte. Feretia nahm ein Schlammbad, obwohl es gar nicht so heiß war, und Flossie scheint Nachwuchs zu erwarten, denn ihre Brüste waren deutlich angeschwollen.
Arden mit ihrem Kalb und Giuseppe an ihrer Seite
Die GBs sind eine sehr große Familie, und nur selten werden alle Mitglieder zusammen angetroffen. Auch während der letzten Monate wurden Gails und Goldas Familienteile nur getrennt gesehen. Die GBs sind sehr gesellig und mischen sich oft mit anderen Familien, welche die gleichen Gebiete nutzen. Das einzige Familienmitglied, das sich etwas weniger freundlich zeigt, ist Garba Tula. Während sie sich zu Mitgliedern ihrer eigenen Familie durchaus freundlich verhält, neigt sie dazu, Elefanten aus anderen Familien zu dominieren. Dies zeigt sich hauptsächlich durch Körpersprache und Lautäußerungen, doch gelegentlich wurde auch beobachtet, dass sie andere schubst. Negative Interaktionen zwischen Elefantenkühen haben aber fast nie schwere körperliche Schäden zur Folge. Sie beschränken sich meist auf Schubsen oder dem Drücken der Stoßzähne gegen den Körper eines anderen Elefanten.
Spielende Kälber aus der PC2-Familie
Die PCs, insbesondere Petulas Gruppe, haben den Park ebenfalls häufig besucht. Die Familie erfreute sich guter Gesundheit, und bei so guter Ernährung waren auch ihre Kälber sehr verspielt. Oft schlossen sie sich dabei mit Kälbern aus anderen Familien zusammen.
Die AAs gehören zu den besonders standorttreuenFamilien Amboselis. Meistens halten sie sich bei den Sümpfen im Zentrum des Parks auf. Allerdings hatten sich während der letzten Monate einige von ihnen, Althea, Arden, Annan, Artemis, Angelina und Abra mit ihren Kälbern, dazu entschlossen, etwas weitere Strecken zurückzulegen. Das ATE-Team hat sie nur zweimal im April und einmal im Mai gesehen. Anghared, Ann und Ava waren hingegen mit ihren Kälbern im üblichen Gebiet der AAs geblieben. Alle Familienmitglieder sahen gesund und kräftig aus. Sie sind somit gut auf die kommenden trockenen Monate vorbereitet.
Zwei neue Kälber in der AA-Familie
Soweit war es also wirklich eine wundervolle Zeit für die Elefanten in Amboseli. Leider gab es aber auch eine Entwicklung, die dem Team des Amboseli Trust for Elephants (ATE) große Sorgen bereitete: die weiterhin praktizierte Trophäenjagd auf männliche Elefanten im Norden des Nachbarlands Tansania.
Wie bereits im letzten Bericht beschrieben, gibt es derzeit große Meinungsverschiedenheiten zwischen Kenia und Tansania, welche durch die sogenannte „Sportjagd“ auf Elefanten im Norden Tansanias ausgelöst wurden. Ein Teil der Elefanten aus Amboseli, darunter einige der letzen Super-Tusker Afrikas (Elefanten, die mindestens einen Stoßzahn mit einem Gewicht von 50 kg oder mehr besitzen), wandert regelmäßig über die nahe Grenze ins nördliche Tansania. Dort galt seit den 1990-er Jahren ein Jagdverbot auf Elefanten, auch wenn Tansania, im Gegensatz zu Kenia, die Trophäenjagd grundsätzlich erlaubte. Doch letztes Jahr wurde dieses Verbot aufgehoben, und seitdem fielen bereits fünf Bullen aus Amboseli den Trophäenjägern zum Opfer.
Der ATE versucht zusammen mit Partnern wie ElephantVoices oder der Big Life Foundation alles in seiner Macht stehende, um diese Bedrohung wieder zu beenden. Sie üben so viel Druck wie möglich auf Tansania aus, um dessen Regierung dazu zu bewegen, das ehemalige Jagdverbot auf diese grenzüberschreitende Elefantenpopulation wieder in Kraft zu setzen.
Zvi, ein Bulle aus der ZB-Familie
Zu den Bullen, die besonders durch die Trophäenjagd gefährdet sind, gehört Zvi, ein Sohn Zamaras aus der ZB-Familie. Er ist jetzt 39 Jahre alt und sieht sehr eindrucksvoll aus. Da er zu jenen Bullen gehört, die sich gerne in Tansania aufhalten, kann er leicht zur Zielscheibe eines Jägers werden. Das ATE-Team hatte ihn zuletzt im Juli 2023 gesehen. Cynthia Moss, die Gründerin des ATE, und ihr Team waren daher sehr froh, als er jetzt wieder in den Park zurückkehrte. Zvi befand sich in der Musth, was bedeutete, dass er besonders aktiv auf der Suche nach paarungsbereiten Kühen war. Männliche Elefanten erreichen ihre Blütezeit erst ab Mitte dreißig. Zwar können sich auch jüngere Bullen paaren, doch bevorzugen die Weibchen stets reifere Bullen, und diese sind wiederum während ihrer Musth-Phasen die bevorzugten Paarungspartner. Wir hoffen, dass Zvi seine Gene an möglichst viele Kälber weitergeben kann.
Zvi ist gerade in der Musth
Der ATE wird sich weiterhin mit aller Kraft für den Schutz Zvis und der anderen Bullen aus Amboseli einsetzen. Zusammen mit ElephantVoices und der Big Life Foundation appellierte er an die kenianische und tansanische Regierung, das Jagdverbot auf Elefanten zumindest im Norden Tansanias wieder in Kraft zu setzen. Außerdem haben diese NGOs zusammen mit vielen weiteren Organisationen und Unternehmen eine Petition mit derselben Forderung an die tansanische Präsidentin gestartet.
Wir bitten alle, die es noch nicht gemacht haben, diese Petition zu unterstützen. Hier der Link zur Petitionsseite:
Außerdem wäre es eine große Hilfe, Appelle an die Botschaften Kenias und Tansanias zu senden und diese ebenfalls aufzufordern, sich für eine Beendigung der Jagd auf Elefanten in Nord-Tansania einzusetzen. Wir haben hierfür zwei Musterbriefe vorbereitet, jeweils in Deutsch und Englisch, sowie eine Liste der Adressen der Botschaften in Deutschland, Österreich und Schweiz. Hier die Links zu diesen Seiten:
Die Monate Oktober und November brachten Amboseli den Beginn einer neuen Regenzeit. Im Oktober hielten sich die Niederschläge zwar noch sehr in Grenzen – es waren gerade einmal 2 ml Niederschlag im gesamten Monat gefallen -, doch im November gab es dann tatsächlich endlich ergiebige Regenfälle. Die teils heftigen Niederschläge brachten eine große Erleichterung für das Land und seine Bewohner mit sich. Innerhalb des Parks, im Camp des Amboseli Trust for Elephants (ATE), wurden insgesamt 193,5 ml gemessen, und außerhalb regnete es noch weit mehr. In den Chyulu Hills fielen beispielsweise über 500 ml Regen. Einige Gebiete wie Mbirikani wurden komplett überschwemmt, und andernorts waren Straßen überflutet und unpassierbar. Trotzdem bewirkten die Niederschläge bei den meisten Menschen große Erleichterung, denn sie bewirkten, dass die Nahrungsmittelproduktion für die Menschen und ihr Vieh für einige Zeit wieder gesichert ist.
Auch die Elefanten und viele andere Wildtiere profitierten von den Regenfällen, denn ihnen standen nun viele neue, temporäre Wasserstellen zur Verfügung sowie Weideflächen, die sonst aufgrund von Wassermangel nicht zugänglich sind. Das reiche Nahrungsangebot führte auch zu einer deutlichen Reduzierung der Konkurrenz zwischen Wildtieren und dem Vieh der lokalen Bevölkerung.
Die Elefanten finden jetzt überall ausreichend Nahrung.
Spielende Jungbullen
Die Elefanten haben die üppigen Bedingungen gut genutzt und in relativ kurzer Zeit deutlich an Kondition zugelegt. Oft versammelten sie sich in großen Herden, die teilweise aus mehr als 300 Tieren bestanden, die sich begrüßten, zusammen weideten und miteinander spielten. Viele Kühe waren paarungsbereit, und einige Bullen, darunter Pascal, kamen in die Musth. Das führte zu einer Vielzahl aufregender Interaktionen.
Ein Bulle auf der Suche nach paarungsbereiten Kühen
Pascal, der 1980 geborene Sohn Patricias aus der PC-Familie, führt schon seit vielen Jahren ein von seiner Familie unabhängiges Leben. Er ist ein großer Bulle mit kurzen aber dicken Stoßzähnen. Sein rechtes Ohr ist gebrochen, so dass es etwas schlaff aussieht, doch dies ist nur ein kleiner Schönheitsfehler, der ihn nicht im geringsten beeinträchtigt. Pascal durchstreifte den Park auf der Suche nach Kühen im Östrus, und das ATE-Team sah ihn bei Paarungen und der anschließenden Bewachung mehrerer Kühe. Seine Aktionen hatten also den gewünschten Erfolg.
Ein Bulle prüft die Paarungsbereitschaft einer Kuh
Viele Elefanten wanderten in außerhalb des Parks liegende Gebiete. Cynthia Moss und ihr Team konnten daher einige Familien gar nicht oder nur bei wenigen Gelegenheiten sehen. Zu ihnen gehörten die FBs und die OAs.
Den FBs begegnete das ATE-Team nur einmal, am 30. November. Die Gruppe bestand aus Flossie, Fenneke und ihrem kleinen Kalb, Farrukhan, Farida, Falafel und Frost. Es wäre sehr gut, wenn die FBs jetzt, wo es reichlich Nahrung gibt, mehr zusammenbleiben, doch es ist schwer zu sagen, was sie tatsächlich tun werden, nachdem Fanny sie nicht mehr anführt.
Die OAs und OA2s hatte das ATE-Team bereits am 27. Oktober gesehen. Sie hielten sich inmitten einer der großen Herden auf, der auch die CBs angehörten, mit denen die OAs besonders eng befreundet sind. Die Familienmitglieder schienen in guter Verfassung zu sein, und die neuen Kälber gediehen bisher prächtig.
Einige Mitglieder der EB-Familie
Auch die EBs wurden nicht sehr häufig gesehen. Am 31. Oktober begegnete das ATE-Team Enid mit ihren Kälbern. Außerdem sahen sie Eliots Tochter Ekaterina, die sich im Östrus befand und sich mit Michael paarte. Michael ist 32 Jahre alt und dabei, sich zu einem der eindrucksvollsten Bullen Amboselis zu entwickeln. Seine dicken, symmetrischen, ausladenden Stoßzähne reichen bereits jetzt fast bis zum Boden. Da er sich gerade in Musth befand, war er für paarungsbereite Kühe besonders attraktiv. Ekaterina hat bisher noch kein eigenes Kalb bekommen und könnte nun zum ersten Mal schwanger werden. Und im November traf das Team auf Eliot mit ihren Kälbern, einschließlich Ekaterina, die sich inzwischen wieder bei ihrer Mutter und Eleanor befand.
Eliot von den EBs und ihr jüngstes Kalb
Eliot und ihr jüngstes Kalb
Im Unterschied zu den meisten anderen Familien hatten sich die EBs nicht den großen Versammlungen angeschlossen, sondern sich stattdessen sogar noch in kleinere Untergruppen aufgeteilt. Dieses Verhalten beobachtet man normalerweise eher während der Trockenzeit. Doch Enid, die Matriarchin, ist immer noch dabei, sich von ihren schlimmen Erfahrungen im Jahr 2022 zu erholen. Dies war vielleicht der Grund für die Aufsplitterung der EBs. Wir hoffen, dass Enid bald wieder zu ihrer alten Stärke zurückfindet und dann auch ihre Familie wieder zusammenführen wird.
Andere Familien wurden öfter gesehen, darunter beispielsweise beide Gruppen der PCs, sowohl diejenige Petulas wie die von Placida und auch die GBs. In beiden Familien gab es neue Kälber, die sich in guter Verfassung befanden. Speziell die GBs hatten im November erneut Familienzuwachs erhalten: Gretchen brachte am 18. November ein männliches Kalb zur Welt, was große Freude auslöste. Gretchen ist Geetas Tochter aus dem Jahr 2003 und hat nun bereits drei männliche Kälber geboren. Das erste, das 2015 zur Welt kam, überlebte allerdings leider nicht. Im Jahr 2017 bekam Gretchen dann ihren zweiten Sohn, der den Namen Glissando erhielt, und nun hat sie ihren dritten Sohn zur Welt gebracht.
Eine Gruppe der GB-Familie
Oft hielten sich die GBs in den großen Herden auf. Einmal entdecke das ATE-Team auch Golda und ihren Teil der Familie in so einer Versammlung. Garba Tula, die mit ihren Kälbern inmitten anderer Elefanten weidete, beschloss plötzlich eine andere Familie, die AAs, von ihrem Weideplatz zu vertreiben. Garba Tula ist zwar eine sehr schöne Elefantenkuh, aber zu Angehörigen anderer Familien nicht sehr freundlich. Genau wie Menschen haben auch Elefanten unterschiedliche Persönlichkeiten. Dies haben die Forscherinnen des ATE im Laufe der Jahre untersucht, indem sie ihre langfristigen und detaillierten Daten von bekannten Individuen nutzten, um einen Persönlichkeitsindex zu erstellen. Dieser Aspekt ihrer Forschung ist besonders faszinierend, und sie entwickeln diesen Bereich auch laufend weiter, während sie bei ihren Beobachtungen weitere Informationen sammeln.
Eine Gruppe der AA-Familie
Annan (ganz links) und weitere AAs
Die AAs waren immer eine der standorttreuesten Familien in Amboseli und blieben auch im Oktober und November überwiegend im Park. Das erst vor kurzem geborene weibliche Kalb Abras gedieh prächtig und war sehr lebhaft und verspielt. Aurora B, die 2010 geborene Tochter von Amber, brachte am 2. November ihr erstes Baby zur Welt. Die Geburt wurde von einem Safari-Guide beobachtet, der das Forschungsteam informierte. Auroa Bs Mutter Amber war die Schwester von Angelina und starb 2016 im Alter von 35 Jahren aus unbekannter Ursache. Von all ihren Kindern lebt nur noch Aurora B. Und deren letzte lebende Verwandte mütterlicherseits ist nun ihre Tante Angelina. Als Amber starb, blieb Aurora B, die zu diesem Zeitpunkt erst sechs Jahre alt war, bei Angelina, zu der sie eine sehr enge Bindung entwickelte.
Wer die Geschichte nicht kennt, könnte meinen, Aurora B sei Angelinas Kalb, da sie ihr mit ihren Cousinen überallhin folgt. Das ATE-Team freute sich sehr darüber, dass sie mit 13 Jahren nun zum ersten Mal selbst Mutter geworden ist. Doch leider war diese Freude nicht von langer Dauer. Als sie Aurora B am 7. November das nächste Mal sahen, war ihr Kalb nicht mehr bei ihr. Aurora B hatte zwar noch Milch, doch ihr Kalb war nirgends zu sehen. Ein so junges Kalb kann ohne seine Mutter nicht lange überleben, und daher muss davon ausgegangen werden, dass es gestorben ist. Der Verlust eines erstgeborenen Kalbes kommt in freier Wildbahn leider öfter vor, und die Überlebensrate der Kälber ist gerade bei den AAs im Vergleich zu anderen Familien in Amboseli relativ niedrig. Das ATE-Team war traurig darüber, dass das Kalb nicht überlebt hatte – auch wenn ihnen bekannt war, dass dies vorkommen kann. Doch dieses Wissen machte es nicht leichter.
Angelina aus der AA-Familie
Angelina und ein befreundeter Bulle
Manchmal liegen traurige und freudige Ereignisse sehr eng beieinander. Das war dieses Mal auch bei den AAs der Fall: Während Aurora B ihr Kalb verlor, wurde Acholi gerade schwanger. Acholi befand sich im Östrus und wurde von Pascal begleitet. Acholi ist eine Tochter der früheren AA-Matriarchin Alison , eine Schwester Astrids, die ebenfalls Matriarchin der AAs war, und eine Tante Annans. Im April dieses Jahres hatte sie ihr erstes Kalb zur Welt gebracht, das jedoch nicht überlebte. Nachdem ihre körperliche Verfassung wiederhergestellt war und sie kein Kalb mehr zu versorgen hatte, kam sie nun bereits wieder in den Östrus . Acholi befand sich in einer der großen Elefantenversammlungen, wo ihr mehrere Bullen folgten, darunter Pascal. Pascal war der bei weitem größte von ihnen und befand sich außerdem gerade in der Musth. Da verschaffte ihm einen großen Vorteil bei Paarungen. Acholis Körpersprachte zeigte denn auch deutlich, dass sie an ihm interessiert war. Das ATE-Team konnte zwar nicht sehen ob er und Acholi sich tatsächlich paarten, doch die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß.
Angelina ist eine erfahrene Anführerin aus der AA-Familie
Annan von den AAs, die Tochter der früheren Matriarchin Astrid
Anghared ist eine der ältesten und erfahrensten Kühe der AAs
Eine besonders interessante Beobachtung machte das Team im November, als es bei einer Gelegenheit alle AAs in einer Gruppe zusammen sah. Dies war schon lange nicht mehr der Fall gewesen. Wie berichtet, hatte die letzte Matriarchin Astrid große Anstrengungen unternommen, um ihre Familie zusammenzuhalten, was ihr auch sehr gut gelungen ist. Seit ihrem Tod hatten sich die AAs aber in mehrere Gruppen aufgeteilt, die von Althea, Angelina, Anghared und Ann geführt wurden und von denen jede ihres Weges zog. Noch ist es unklar, ob sie sich künftig wieder dauerhaft zusammenschließen werden, was gerade bei einer kleineren Familie wie ihnen zu wünschen wäre. Doch die aktuelle Beobachtung ist für die Forscherinnen immerhin ein hoffnungsvolles Zeichen, da es zeigt, dass die Familienmitglieder sich noch immer verbunden fühlen.
Anghared von den AAs
Anghared
Wie auch immer sie sich entscheiden werden, für den Moment hatten sie jedenfalls wieder zusammengefunden und konnten gemeinsam die angenehmen Bedingungen genießen. Wir wünschen ihnen, dass es ihnen gelingt eine gute Entscheidung zu treffen, um eine weise und verantwortungsbewusste Matriarchin zu finden – oder mehrere.
Im August und September begann in Amboseli allmählich die schwierigere Phase der Trockenzeit, die allerdings nicht mit einer echten Dürre vergleichbar war. Die Nahrung wurde allmählich knapper, doch war weiterhin noch genug für alle Wildtiere vorhanden. Die Elefanten kannten diese Entwicklung sehr gut und passten sich den Gegebenheiten an. Sie teilten sich in kleinere Familiengruppen auf, die sich hauptsächlich aus engverwandten Kühen, meistens Schwestern, und ihren Kälbern, zusammensetzten. Erfahrene Matriarchinnen wie Ulrica von der UA2-Familie sind nun von unschätzbarem Wert für die Elefanten.
Ulrica, die Matriarchin der UA2-Familie
Mitglieder der AA-Familie hielten sich gerne in dem Akazienwald auf, in dem das Camp des Amboseli Trust for Elephants (ATE) liegt. Oft kamen sie in die Nähe der Zelte, wo sie vom ATE-Team gesehen wurden. Auch Angelina und ihre Kälber waren dabei. Der Wald besteht aus Fieberbäumen, einer relativ schnellwachsenden Akazienart, die Gebiete mit einem hohen Grundwasserspiegel bevorzugt. In Amboseli gedeiht sie gut, weil der Grundwasserspiegel hoch ist und ihr der hohe Salzgehalt des Bodens im Amboseli-Becken nichts ausmacht. Im Park gibt es mehrere dichte Fieberbaumwälder, die während der Trockenzeit, wenn die Gräser weniger nahrhaft und knapp sind, eine wichtige Nahrungsquelle für viele Wildtiere darstellen. Die Elefanten sind sehr geschickt darin, sich von den Blättern und Zweigen zu ernähren, obwohl diese sehr harte, scharfe Dornen besitzen.
Angelina säugt ihre Tochter Alana
Am 15. September erhielt der ATE einen Anruf von einem Guide, der sich Sorgen um einen Elefanten machte. Er berichtete, der Elefant verhalte sich „seltsam“ und scheine verzweifelt zu sein. Das Team eilte zu der Stelle, von der er berichtet hatte, und musste feststellen, dass es Abra war, die ein kleines Mädchen zur Welt gebracht hatte. Sie hatte noch Blut an den Beinen, was bedeutete, dass die Geburt nur ganz kurz zuvor stattgefunden hatte. Abras neues Kalb wurde bald der Familie vorgestellt, die sich sehr über das neue Mitglied freute. Im Laufe des Septembers wurde Abras Kalb bereits von vielen interessierten Elefantenkühen begrüßt. Es sah gesund und kräftig aus.
Ein neues Baby aus der AA-FamilieDie stolze Mutter und ihre Baby
Eines Morgens wurden die AAs zusammen mit der YA- und der JA-Familie in einem Gebiet gesehen, das direkt an den Akazienwald grenzte. Ebenfalls anwesend war Sabachi, ein unabhängiger Bulle aus der SB-Familie. Sabachi befand sich in Musth und verbrachte Zeit mit einer Kuh der YA-Familie, die paarungsbereit war und von ihm bewacht wurde. Bewachen ist ein übliches Verhalten, das dominante Bullen zeigen, um anderen Bullen den Zugang zu paarungsbereiten Kühe zu verwehren. Wenn diese an einer Paarung mit Bullen interessiert sind, lassen sie sich gerne bewachen, um nicht von jüngeren, weniger interessanten Bullen belästigt zu werden.
Die Kälber aller drei Familien waren besonders gut gelaunt; sie begrüßten sich und spielten ausgelassen miteinander in der Nähe des ATE-Forschungsfahrzeugs.
Auch die EB-Familie hielt sich innerhalb des Parks auf. Sie schienen enger zusammenzubleiben als andere Familien und waren fast immer in Rufweite (etwa zwei Kilometer, ausreichend für Infraschall-Rufe) voneinander entfernt. Enid hatte sich ein wenig von der Familie isoliert. Sie sah körperlich gut aus, zeigte aber durch ihr Verhalten, dass sie traurig oder unglücklich war. Ihre Tochter Elise verhielt sich unglaublich loyal und blieb die ganze Zeit an ihrer Seite. Dies ist für Elefanten äußerst typisch. Angesichts all dessen, was Enid widerfahren ist, war ihr Verhalten keine Überraschung, und sie wird etwas Zeit brauchen, um sich von ihren traumatischen Erlebnissen zu erholen. Aber mit der Unterstützung ihrer treuen Familie wird sie es schaffen.
Enid, die Matriarchin der EB-FamilieElise, die Tochter Enids
Die EBs verbrachten viel Zeit in den Sümpfen, um die üppige grüne Vegetation zu nutzen, welche die Sümpfe das ganze Jahr über bieten. Eliots neugeborenes weibliches Kalb war äußerst selbstbewusst und fröhlich. Es war eine große Freude, endlich wieder neues Leben bei den EBs zu sehen.
Eliot mit ihrem Kalb bei der Nahrungssuche im Sumpf
Edwinas Gruppe blieb ebenfalls in der Nähe von Enids Teil der Familie, und alle Mitglieder sahen gut aus. Eudora und Europa verbrachten Zeit mit Edwinas Familienzweig. Esprit war im August im Östrus und wurde bei mehrfach von unterschiedlichen Bullen verfolgt – unter anderem von Michael, Calvin und Ibrahima. Michael ist ein sehr beeindruckend aussehender, noch relativ junger Bulle, der in den kommenden Jahren möglicherweise zu einer der Ikonen Amboselis werden wird. Er wurde 1991 als Sohn Mabels aus der MA-Familie geboren. Michael befand sich in den letzten zwei Monaten in der Musth und erhielt viele Paarungsmöglichkeiten. Calvin ist acht Jahre älter als Michael, hat aber nicht so große Stoßzähne. Ibrahima ist erst 21 Jahre alt und hat daher noch kaum Chancen auf eine Paarung. Das ATE-Team hat nicht gesehen, wann oder mit welchem Bullen sich Esprit gepaart hat, doch es ist gut möglich, dass es entweder Calvin oder Michael war.
Europa von den EBs
Auch Fortino, Facebook und Feretia von den FBs wurden regelmäßig mit ihren Kälbern gesehen. Facebook war im September im Östrus und wurde von einem Männchen namens Buyoya aus der BB-Familie verfolgt. Ob sie sich tatsächlich gepaart haben, konnte allerdings auch in diesem Fall nicht beobachtet werden. Falls ja, dann wird Facebook in zweiundzwanzig Monaten ein Kalb zur Welt bringen.
Buyoya, ein Bulle aus der BB-Familie
Die lange Abwesenheit von Fanny, der Matriarchin der FBs, macht dem ATE-Team allmählich Sorgen. Sie vermuten, dass Fanny an den Folgen der jüngsten Dürre gestorben sein könnte. Das Team hatte sie zuletzt Ende Januar gesehen. Da sich ihre Familie vor Ort befindet und regelmäßig beobachtet wird, ist die lange Abwesenheit von Fanny kein gutes Zeichen. Man muss mit Rückschlüssen vorsichtig sein, denn das ATE-Team hatte in der Vergangenheit schon einige Überraschungen erlebt. Aber unter den gegebenen Umständen ist leider fast sicher anzunehmen, dass Fanny gestorben ist. Sie wurde 1969 geboren und befand sich mit 54 Jahren in einem Alter, in dem sie Entbehrungen durch Dürren nicht mehr leicht verkraftet.
Dürreperioden fordern in der Regel das Leben der jüngsten und ältesten Mitglieder einer Population. Und dazu gehören leider oft auch Matriarchinnen. Alle beim ATE sind traurig, dass die FBs offenbar ihre erfahrene Anführerin verloren haben. Dieser Verlust wird auch Auswirkungen auf die Familienstruktur haben. Die älteste lebende Kuh ist jetzt Flossie, aber da sie zu Floras Linie der Familie gehört, während Fanny zu Fredas Linie gehörte, könnte es zu einer Spaltung der Familie kommen. Da die FBs wegen der jetzt schon etwas trockeneren Bedingungen ohnehin dazu tendieren, sich zur Futtersuche in kleinere Gruppen aufzuteilen, kann man im Moment schwer sagen, ob sich die Familie tatsächlich dauerhaft geteilt hat. Aber mit der Rückkehr des Regens in den kommenden Monaten sollte es möglich sein festzustellen, wer die Führung übernommen hat und ob die Familie zusammenbleibt oder nicht.
Viel erfreulicher sind die Meldungen, die es von der GB-Familie gibt. Sie sind mit dem Amboseli-Ökosystem eng verbunden, vor allem auch mit den Sümpfen, die ganzjährig Wasser und Vegetation bieten. Dadurch konnten sie zu einer der größten Familien dieses Gebiets heranzuwachsen. Wenn die GBs vollzählig versammelt durch die eindrucksvolle Landschaft ziehen, bietet die Familie einen beeindruckenden Anblick.
Ein Highlight der letzten Monate ist Georgias jüngster Familienzuwachs, eine Tochter, die am 1. August geboren wurde. Georgia ist eine erfahrene Mutter und ihr Kalb hat dank ihrer fachkundigen mütterlichen Fürsorge die besten Chancen. Außerdem genießt Georgia die Unterstützung einer Vielzahl von heranwachsenden Kühen ihrer Familie, die als Kindermädchen alle eifrig mithelfen und für das Wohlergehen des neuesten Familienmitglieds sorgen. Ein Beweis für den starken Zusammenhalt innerhalb der GB-Familie.
Georgia und Garamba von den GBs
Georgias Kalb genießt auch die liebevolle Aufmerksamkeit der älteren Kühe in der Familie. Einmal versuchte sie sogar, von ihrer viel älteren Schwester Garamba gesäugt zu werden. Garamba, die sich um ihren eigenen Nachwuchs kümmern muss, gab der Neugier der Kleinen kurz nach und schob sie dann sanft weg. Ihr Jüngster ist mit fünf Jahren inzwischen allerdings nicht mehr auf Milch angewiesen. Vermutlich erwartet Garamba aber bereits ihr nächstes Kalb in nicht mehr allzu ferner Zukunft. Im Durchschnitt bekommen Elefantenkühe in Amboseli alle drei bis fünf Jahre ein Kalb.
Die GB-Familie fasziniert das ATE-Team ganz besonders mit ihrer Unverwüstlichkeit, ihrem Zusammenhalt und ihren verspielten, ungestümen Kälbern. Und so hoffen wir auf viele weitere außergewöhnliche Begegnungen und Berichte, die uns Einblick in das Leben der sanften Riesen von Amboseli geben.
Die OA-Familie hatte sich während der letzten Monate leider etwas rätselhaft verhalten, was es selbst für die erfahrenen und engagierten Forscherinnen des ATE schwierig machte, sie zu entdecken. Ihre Gewohnheit, inner- wie außerhalb des Parks Nahrung zu suchen, gepaart mit ihrer Vorliebe für immer wieder unterschiedliche Routen, hat die Versuche des Teams, sie zu sichten, mit wenig Erfolg belohnt. Es wurden stets nur Teile der Familie entdeckt: Die eigentlichen OAs einmal am 16. August und die OA2 ein anderes Mal am 22. August. Es besteht Grund zu der Annahme, dass sich die OAs noch immer im selben Gebiet aufhalten, da in der Nähe auch ihre Verwandten und Freunde von der CB-Familie angetroffen wurden. In den Sümpfen des Parks herrscht reger Elefantenbetrieb, was vermuten lässt, dass die OAs unter ihnen sind und nur auf den richtigen Moment warten, um sich dem ATE-Team zu präsentieren. Wir bleiben optimistisch, dass demnächst weitere Sichtungen folgen werden.
Eine Elefantenfamilie auf dem Weg durch Amboseli
Die PC-Familie bereitete dem Team hingegen nicht so große Probleme. In den vergangenen zwei Monaten wurden sowohl Petula als auch Placida und ihre Familienmitglieder von den ATE-Forscherinnen entdeckt. Vor allem Petulas Gruppe wurde häufiger in der Mitte des Parks gesichtet. Die PCs gedeihen weiterhin prächtig. Häufig wurden sie beobachtet, wie sie hüfttief durch das Wasser der Sümpfe wateten – ein Anblick, den das ATE-Team leider nicht aus der Nähe genießen konnte, da es außerhalb bleiben musste. Bei den Begegnungen mit der PC-Familie zeichneten sich diese durch ihr ruhiges und gelassenes Verhalten aus, was einen eindrucksvollen Kontrast zu einigen anderen Elefantenbegegnungen im Park darstellte.
Im August und September befanden sich auch viele Bullen im Park, darunter Must-Bullen wie Michael und Sabachi. Da während der Dürre viele noch milchabhängige Kälber gestorben sind, kamen nun viele Kühe fast gleichzeitig wieder in den Östrus. Und das lockte die außergewöhnlich vielen Bullen in den Park. Musth-Bullen wie Michael und Sabachi haben dabei die besten Paarungschancen.
Michael, ein eindrucksvoller BulleSabachi, ein Bulle in Musth
Der September erwies sich für das Team des ATE auch anderweitig als ein sehr geschäftiger Monat. Alle Mitglieder hatte das Privileg, an der Konferenz des Wildlife Research and Training Institute (WRTI) in Naivasha teilzunehmen. Bei diesem Treffen kamen Experten aus ganz Kenia und darüber hinaus sowie Vertreter der kenianischen Regierung zusammen. Hauptziel war es, sicherzustellen, dass die Erkenntnisse der Fachleute in die Entscheidungsprozesse der kenianischen Naturschutzpolitik und Landesentwicklungspläne einfließen. Einen besonderen Schwerpunkt bildeten die Auswirkungen neuer Bauvorhaben, wie z. B. eine geplante Schnellstraße von Nairobi nach Mombasa, die durch wichtige Nationalparks mit zahlreichen Wildtiere führt.
Die Konferenz bot eine Plattform für offene Dialoge über die Schwierigkeit, wirtschaftliche Entwicklung mit dem Schutz der Wildtiere zu vereinen. Es war erfreulich zu sehen, dass das Wissen und die Empfehlungen des ATE von der Regierung anerkannt und berücksichtigt wurden. Das machte Hoffnung und motivierte das Team, sich an den Diskussionen zu beteiligen, die darauf abzielten, nachhaltige Lösungen für den Schutz von Kenias wertvoller Tierwelt zu finden.