Unsere Pateneltern wurden in den letzten Monaten mit Berichten über Elefantenbaby-Rettungsaktionen nur so geflutet. Erst kürzlich haben wir geschildert, dass 2009 mit bisher sieben Rettungsaktionen ein sehr betriebsames Jahr war. Inzwischen sind wir bei sieben Rettungen pro Monat angelangt! Diese dramatische Situation hat viele Gründe, die mittelbar und unmittelbar miteinander zusammenhängen: die schwere Dürre im Land und der sich dadurch verschärfende Konflikt zwischen Mensch und Wildtier, und zusätzlicher Druck durch die zunehmende Wilderei. Die Geschichten der Rettungsaktionen, die Sie hier lesen, wurden nicht automatisch Teil unseres Patenprogrammes. Trotzdem möchten wir sie Ihnen nicht vorenthalten, denn zahlreiche Einzelpersonen und ganze Dorfgemeinschaften haben viel auf sich genommen, um all diese Elefantenbabys zu retten. Ihre Hilfe und die Geschichte der kleinen Elefanten sollten daher nicht unerwähnt bleiben.
Die Rettung von Tumaren, 20. Juli 2009
Am 20. Juli um 17 Uhr erhielten wir einen Anruf von Kerry Glen auf der Tumaren Ranch in Laikipia. Er berichtete von einem Babyelefanten, der in Begleitung seiner sterbenden Mutter gesehen wurde. Die beiden schienen von der Herde zurückgelassen worden zu sein, denn weit und breit wurden keine anderen Dickhäuter gesichtet. Die Mutter war offenbar gelähmt, vielleicht wurde sie sogar vergiftet, doch die Ursache konnte nicht völlig abgeklärt werden.
Da es für die Mutter offenbar keine Rettung mehr gab, fingen Kerry Glen und Jamie Christian das Elefantenbaby gemeinsam mit Angestellten der Ranch ein, weil sie befürchteten, dass es den Tod der Mutter nicht überleben würde, denn in der Umgebung gab jede Menge Raubtiere. Sie nahmen das Baby mit auf die Farm und Jamie blieb die ganze Nacht bei ihm. Seine Mutter wurde in der Zwischenzeit eingeschläfert. Das Baby schlief kaum und war sehr verstört, es rief die ganze Nacht nach seiner Mutter und versuchte sogar, durch ein Fenster ins Freie zu gelangen.
Der Kenya Wildlife Service (KWS) wurde verständigt und das Kälbchen am 21. Juli in die Nursery nach Nairobi ausgeflogen, wo es gegen Mittag ankam. Die kleine Kuh war noch sehr stark und aggressiv (ein gutes Zeichen, denn es zeigt den Überlebenswillen und noch reichlich vorhandene Kräftereserven), doch es dauerte nicht lang und sie beruhigte sich gleich als die anderen Elefantenwaisen zu ihrer Gesellschaft eintrafen. Sie wurde von ihren Artgenossen auf das Wärmste begrüßt, und sie erwiderte diese Geste gleich auf dieselbe freundliche Art. Nach kürzester Zeit war sie ein liebevolles Herdenmitglied und sehr entspannt gegenüber allen Elefanten und Menschen in ihrer neuen Familie.
Wir nannten unseren Neuankömmling Tumaren, nach dem Ort ihrer Herkunft. Sie ist etwa 10 Monate alt und das 22. Mitglied unserer Nursery-Herde.
Die Rettung von Tano und Mutara, 26. Juli 2009
Über die Jahre haben wir uns daran gewöhnt, dass an einem Sonntag meist gleich zwei Begebenheiten zusammentreffen. Zum Einen bricht die Telefonleitung des Trusts zusammen und zum Anderen muss ein Elefantenbaby gerettet werden. Der 26. Juli war daher keine große Überraschung.
Stefano Cheli von Cheli and Peacock Safaris besuchte uns beim mittäglichen Schlammbad auf dem Trust-Gelände und berichtete von einem Baby-Elefanten (wahrscheinlich ein weiteres Opfer der Wilderei), das am Abend des 25. Juli auf der Loisaba-Ranch in Laikipia gesehen wurde. Der Leiter der Farm, Tom Silvester, machte sich am nächsten Morgen sogleich auf die Suche und fand das Baby bei Tano, einem der fünf Rinderställe auf dem Farmgelände. Es handelte sich um ein kleines Weibchen von etwa zweieinhalb Monaten. Da Tom uns über das Festnetz per Telefon nicht erreichen konnte, verständigte er Stefano Cheli und die Bergung wurde eingeleitet. Noch zu jung, um es besser wissen zu können, vertraute das Kälbchen den Menschen von Anfang an und eroberte sich somit gleich einen Platz im Herzen der Farmangestellten und Toms Kinder. Sie baten darum, das kleine Baby Tano zu nennen.
Klein Tano wurde noch am gleichen Nachmittag in die Nursery geflogen, wo man ihr Milch und Blutplasma (für ein starkes Immunsystem) gab. Sie hat sich schnell eingelebt und am Monatsende ging es ihr sehr gut. Sie war damit das 23. Baby in der Nursery.
Damit nicht genug für diesen Sonntag. Um 14 Uhr wurde ein Neugeborenes allein auf der Straße zwischen Rumuruti (Bezirk Laikipia) und der Mutara-Ranch (eine Farm der African Divine Church) aufgefunden. Die Mitarbeiter verständigten den KWS und weil es um diese Uhrzeit schon zu spät für eine Rettungsaktion war (außerdem funktionierte unsere Telefonleitung immer noch nicht), riefen die Mitarbeiter der Ranch die Verwaltung des Ol Pejeta Schutzgebietes zu Hilfe, um das Kälbchen über Nacht dort unterzubringen.
Das kleine Kälbchen wurde Mutara genannt, und nachdem die Mitarbeiter der Ranch sie vor dem sicheren Tod gerettet hatten, wurde sie am nächsten Tag mit East African Air Charters in einer kleinen Cessna 206 in unsere Nursery nach Nairobi gebracht. Die Nabelschnur hing ihr noch vom Bauch, so dass wir vermuteten, dass sie noch gar kein Kolostrum (lebenswichtige Antikörper für eine starke Abwehr) von ihrer Mutter getrunken hatte. Daher bekam sie sofort Elefantenblutplasma, das wir für Notfälle immer im Tiefkühler bereit halten, und eine Kochsalzinfusion in ihre Ohrvene.
Obwohl die Gründe für ihr Verwaisen unklar bleiben, ist es sehr wahrscheinlich, dass auch ihre Mutter Wilderern zum Opfer gefallen war. Die kleine Mutara war nun unser 24. Waisenelefant in der Nursery.
Die Rettung von Turkwel, 4. August 2009
Die Rettung des kleinen Elefantenbabys am 4. August 2009 zählt wohlmöglich zu den aufregendsten Aktionen, die wir jemals durchgeführt haben. Das vier Monate alte Kälbchen belegt somit Platz 1 unter den Babys mit dem meisten Glück hatten und gleichzeitig Platz 1 auf der Liste der größten Pechvögel. Großes Glück hatte unser Findelkind, weil es in einer der entlegensten und rauesten Regionen um das Turkana-Süd Nationalreservat völlig unbeschadet gefunden wurde. Zu seinem Unglück wurde es in einer Gegend geboren, die von wilden und kriegerischen Hirtenvölkern der Stämme Pokot und Turkana besiedelt ist. Diese Stämme streiten seit Menschengedenken fast ununterbrochen über die kargen Ressourcen wie Land und Nutztiere. Das verwilderte Grenzland im Westen gehört ihnen, und viel schlimmer noch: heutzutage tragen die Stammesangehörigen keine Speere, Pfeil und Bogen mehr, sondern eine AK47 (Kalaschnikow). Und ihr Einsatz bleibt im Großen und Ganzen ungestraft.
Am Abend des 3. August, zu spät um noch auszurücken, erreichte den Trust ein Rettungsruf des KWS. Gleich am nächsten Morgen, gegen 7 Uhr morgens machte sich ein Team auf den Weg und erreichte nach etwa 2 Stunden Flug die Landebahn in Turkwel nahe der Reservate Nasalot und Turkana-Süd, wo sie auf die Ankunft des Kälbchens warteten. In der Ferne hörte man Schüsse, so dass die Warterei sehr nervenaufreibend wurde.
Noch viel schlimmer war jedoch die eigentliche Rettung des Babys. Der stellvertretende Leiter der Reservate Nasalot und Turkana-Süd, Mr. Nduati James, organisierte die sehr riskante und mutige Bergung des kleinen Elefanten, der ganz allein am Fluss Wei Wei gesichtet wurde und sich in Richtung einer sehr gefährlichen Gegend bewegte. Ein Ranger-Team, das zum Schutz von einer paramilitärischen Einheit begleitet wurde, arbeitete sich ins Juluk-Gebiet vor, wo Gefahr von bewaffneten Überfällen drohte, da Banditen allerorts die Zufahrtsstraßen blockiert hatten. Es dauerte den ganzen Morgen, bis die Straßen endlich geräumt wurden und das Fahrzeug zu unserem Findelkind fahren konnte.
Die Wildtiere sind in diesem andauernden und sehr ernsten Stammeskonflikt gefangen, durch den ihnen der Zugang zu Wasser und Futter versperrt wird. Die Tiere müssen das Kerio-Tal durchqueren, von da aus gelangen sie zum Romoi Wildreservat, wo sich die Pokot und die Turkana bekriegen, und wenn sie dort lebendig herauskommen, gelangen sie ins Nasalot Wildreservat, wo sie schließlich Futter und Wasser finden.
Elefanten bzw. ihre Stoßzähne sind als Tauschmittel gegen Waffen sehr begehrt unter den sich bekriegenden Stämmen. Das Elfenbein wird an skrupellose Zwischenhändler verkauft, das Fleisch essen die Rebellen selbst oder auch die Dorfbewohner der völlig verarmten und von Dürre gebeutelten Region. Es grenzt an ein Wunder, dass es in diesem Hexenkessel überhaupt noch Elefanten gibt.
Wir nannten unser kleines lebendes Wunder Turkwel. Sie ist das dritte Elefantenbaby, das wir aus dieser Region retten konnten. Auch Nasalot aus Yattas Ithumba-Gruppe und Ajok, die bereits 1990 zu uns kam, stammen dorther. Turkwel wurde Waise Nr. 25 in unserer Nursery-Gruppe in Nairobi.
Die Rettung von Olare, 5. August 2009
Am 5. August, nur einen Tag nach Turkwels Rettung, wurde von einem Touristen eine sehr schwache Elefantenmutter mit ihrem Kälbchen gesehen. Er benachrichtigte sofort den Tierarzt des KWS unserer mobilen tierärzlichen Einheit in Mara, Dr. Dominic Mijele.
Als der Tierarzt die Kuh und ihr Baby auffand, befand sich die Mutter bereits in einem erbärmlichen Zustand und stand kurz vor dem Zusammenbruch. Den Rettern bot sich ein Bild des Grauens: sie konnte nur noch ihre Vorderbeine und den Rüssel bewegen, ihr Baby wich nicht von ihrer Seite und war völlig verängstigt. Dr. Dominic Mijele stellte die Elefantenkuh ruhig, um sie zu untersuchen und fand heraus, dass ihr Oberschenkelknochen völlig zertrümmert war. Die Verletzung hatte den Nerven so sehr geschädigt, dass sie auf dem Hinterlauf gelähmt war. Es bestand keinerlei Hoffnung für sie, und obwohl man annimmt, dass die Verletzung von einem Schuss herrührt, kann dies nicht mit völliger Sicherheit bestätigt werden.
Der Trust wurde verständigt und erneut machte sich ein Rettungsteam auf dem Weg. An der Olkiombo-Landebahn wurden die Helfer von Dr. Mijele und den KWS-Rangern bereits erwartet und von dort aus zum 20 km entfernten Unglücksort zu der schwer verletzten Elefantenkuh und ihrem völlig verstörten Baby gebracht. Dank ihres großen Erfahrungsschatzes konnten die Keeper das Kälbchen reibungslos einfangen. Es folgte eine herzzerreißende Szene, denn die Mutter versuchte trotz ihrer schweren Verletzung alles, um ihr Baby zu beschützen, das sich an ihr festhielt und sogar auf sie hinauf kletterte, um den Menschen, die seiner heißgeliebten Mutter so Furchtbares angetan hatten, zu entwischen. Es blieb kein Auge mehr trocken, als die Mutter schließlich betäubt wurde, damit sie mit ihrem Rüssel niemanden verletzen konnte.
Das etwa einjährige Baby war noch sehr stark und somit ebenfalls in der Lage, jemanden zu verletzen. Also brauchten die Keeper die Unterstützung der KWS Ranger. Als der kleine Elefant schließlich auf das Fahrzeug verladen und unterwegs zum Flugzeug war, schläferte der Tierarzt die Elefantenmutter ein und beendete somit ihr unsägliches Leiden. Nursery-Baby Nr. 26 wurde Olare genannt.
Kein Ende in Sicht ….. gerade die neuste Nachricht aus Nairobi –> 29 Waisen Stand heute ( 26.09.2009 ) –> wir kämpfen weiter.