Mulika mit Nachwuchs

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Am Morgen des 6. Oktober hatte man Mulika – wie gewöhnlich mit Yattas Gruppe Ex-Waisen – gesehen. Wenig später, als Daphne Sheldrick mit ein paar Gästen an der Badestelle in Ithumba eintraf, war sie jedoch nicht mehr aufzufinden. Yatta und der Rest der Gruppe waren immer noch da und warteten auf die Elefantenwaisen. Am nächsten Tag kamen Daphne und ihre Begleiter gegen 11.30 Uhr wieder zum Schlammbad und warteten auf die Keeper und ihre Schützlinge, während der Tanklaster des Trusts die Tränken mit frischem Wasser auffüllte. Auf einmal erschien ein großer Elefant hinter dem Laster und man hörte die Keeper schreien: „Es ist Mulika mit einem Baby!“ Alle rannten eilig herbei, und es war sich tatsächlich Mulika mit ihrem neugeborenes Kälbchen! Der kleine Elefant musste in der Nacht zuvor oder in den frühen Morgenstunden des 7. Oktober zur Welt gekommen sein. Es war winzig, aber perfekt und stellte sich aller paar Minuten auf die Hinterbeine um an der Brust seiner Mutter zu saugen. Zwischendurch versteckte es sich unter Mulikas großem Bauch. Mulika selbst war tief entspannt und brachte ihr Baby sogar zu Daphne und ihren Gästen, die inzwischen auf der zementierten Sitzgelegenheit neben der Suhle Platz genommen hatten. Chef-Keeper Benjamin war in heller Aufregung in seinen Suzuki gesprungen und raste zurück zum Trustgelände, um die Videokamera zu holen – dieser herzerwärmende Moment musste schließlich festgehalten werden! Außerdem rief er Angela und alle Mitarbeiter in Nairobi an, um die frohe Kunde zu überbringen.

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Mulika war eine Waise aus dem Meru Nationalpark und wurde 2001 aus einem Schlammloch gerettet. Sie war sieben Monate alt, als sie in der Nursery in Nairobi einzog und von dort wurde sie später nach Voi gebracht und langsam ausgewildert. Sie war immer unter der Obhut von Emily, der damaligen Leitkuh, und Aitong, ihrer tatkräftigen Helferin.

Zu dieser Zeit, im Juni 2004 sollten sechs der Nursery-Waisen in die damals noch jungfräuliche Auswilderungsstation nach Ithumba gebracht werden: Naserian, Wendi, Tomboi, Ol Malo, Taita und Selengai. Ithumba lag im nördlichen Tsavo-Ost, und seit der Massenwilderei der späten 1970er Jahre hatte man dort keine Elefanten mehr gesehen. In Voi wurden unter dem verstorbenen David Sheldrick mit Samson und Fatuma die ersten Waisen zurück in die Wildnis geführt, gefolgt von vielen weiteren, zum Beispiel die berühmte Eleanor, die mit ihren drei Kälbern noch heute in Voi lebt. 2004 waren 31 Elefanten in Voi untergebracht, und es gab kaum noch Kapazitäten. Daher zogen auch vier mittelalte Kühe aus Emilys Gruppe nach Ithumba um, um sich um die Neuankömmlinge aus der Nursery zu kümmern – das können schließlich nur Elefanten, auch wenn sie täglich von Keepern betreut werden. Diese Aufgabe sollten nun Mulika, Yatta, Nasalot und Kinna übernehmen, die am 26. Juni 2004 nach Ithumba umsiedelten – ein großes Ereignis, das auch von der BBC im Rahmen der Serie „Elephant Dairies – Tagebuch der Elefanten“ aufgezeichnet wurde.

Yatta, Mulika, Nasalot und Kinna waren alle um die fünf oder sechs Jahre alt und nahmen sich begeistert der Babys aus Nairobi an. In den nächsten zwei Jahren wurden die Ithumba-Waisen lediglich von Elefantenbullen (den Pfadfindern der Elefantengemeinschaft) besucht, allerdings nur im Schutzmantel der Nacht. Ein großer Bulle, der später Rafiki genannt werden sollte, war der erste, der den Mut bewies, sich bei Tageslicht zu zeigen. Er lief später sogar neben den Waisen und ihren Keepern durch den Busch, suhlte sich mit ihnen im Schlamm und schlief viele Wochen lang vor den Ställen. Dann schließlich überbrachte er die Nachricht an die wilden Elefanten, dass es in Ithumba wieder sicher sei – und seitdem kommen sie in Scharen!

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Yatta war die älteste der Ex-Waisen aus Voi und wurde die neue Leitkuh in Ithumba. Sie wurde mit aller Kraft unterstützt von Mulika und Nasalot, während Kinna sich um die ungestümen Jungbullen kümmerte. So wurden sie alle erwachsen, schafften den Weg zurück in die wilde Elefantengemeinschaft und holten diese überdies nach Ithumba zurück. Yatta ist immer noch die Leitkuh der Gruppe Ex-Waisen, nur ab und an setzen sich kleiner Grüppchen für eine Weile ab. Mulika war jedoch immer mit Yatta zusammen, und so war es sehr ungewöhnlich, dass Yatta am 6. Oktober ohne Mulika anzutreffen war, als Daphne und ihre Gäste das Schlammbad besuchten.

Mulika und Yatta wurden wahrscheinlich Anfang 2009 innerhalb weniger Tage vom gleichen Bullen geschwängert. Das wissen wir so genau, weil sich das Ganze damals unweit der Ithumba-Ställe abspielte und die Keeper alles beobachtet hatten. Wir vermuteten also schon lange, dass sie trächtig ist. Als ihr Gesäuge nach sechs Monaten anschwoll und sie in den letzten Wochen sichtlich zugenommen hatte, wurden unsere Hoffnungen bestätigt. Als Daphne in Ithumba eintraf, zeigten die Keeper ihr noch das große Gesäuge von Yatta, aber dass sie noch da sei, wenn Mulika ihr erstes wildgeborenes Baby vorstellte, war auch für sie eine große Überraschung. Das neue Elefantenbaby war ein kleines Weibchen, und Benjamin nannte sie Mwende, ein Kamba-Wort für „Familienmitglied“. Wenn man so etwas miterleben darf, weiß man, wofür 13 Jahre Aufzucht von Elefantenwaisen wichtig sind. Mulika hat eine zweite Chance bekommen! Alle Pateneltern, die sie mit ihren Spendern unterstützt haben, können genauso stolz sein wie unsere Keeper, die im wahrsten Sinne glücklich „bis zum Mond und wieder zurück“ sind.

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Als die Elefantenwaisen nun an diesem besonderen Tag ihre Milch abholen und sich im Schlamm suhlen wollten, drängten sich alle um Mulika, um einen Blick (und einen Rüsselkuss) auf das kleine Baby zu werfen. Mit von der Partie waren Chyulu und Lenana, zwei Ex-Waisen, die den Vormittag mit den Waisen verbracht hatten und sofort die Rolle der Kindermädchen für das Neugeborene übernahmen. Später, auf dem Weg zu den Stallungen, wichen sie Mulika nicht von der Seite. Anlässlich dieses Freudenfestes bekamen alle eine Extra-Portion Milchwürfel, Koprakuchen und Grewia-Zweige.

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Robert Carr-Hartley war danach noch einmal mit der erst kürzlich erworbenen 185er Cessna des Trusts in Ithumba, um Mulika und ihr Kälbchen für alle Pateneltern zu besuchen und zu beobachten. Das Video, auf dem Mulika und Mwende mit Chyulu, Lenana und Makena zu sehen sind, wird demnächst auf der Website des Trusts eingestellt.

Der Trust kann inzwischen stolz auf einige Elefantenbabys blicken, die von ehemaligen Waisen in der Wildnis geboren wurden: Emily mit “Eve“, Edie mit „Ella“, Lissa mit „Lara“, “Lali“ und “Lugard“ (ein Bulle), Mpenzi mit “Asante“ (nachdem ihr erstes Baby von Löwen getötet wurde), und natürlich Eleanor mit ihren drei namenlosen Babies. Mulika hat jetzt „Mwende“, das erste Baby eines Ithumba-Elefanten! Und sie bekommt vielleicht schon in den nächsten Tagen Gesellschaft von Yattas Nachwuchs…