Monatsbericht für die Nursery-Gruppe: August 2008
Es war ein geschäftiger Monat für die Nursery-Gruppe, denn es gab zwei Neuankömmlinge, die beide Opfer von Wilderei wurden. Am 10. erreichte uns ein 9-monatiger kleiner Bulle aus dem Schutzgebiet Taita Hills, dessen Mutter durch einen vergifteten Pfeil getötet wurde. Er wurde „Taveta“ genannt und war stark unterernährt als er bei uns eintraf, seine Wangen waren tief eingesunken, so dass angenommen werden konnte, dass er schon einige Zeit ohne seine Mutter verbracht hatte. Allerdings gewöhnte er sich sehr schnell ein, zeigte keinerlei Anzeichen von Aggression und war entspannt genug um schon den nächsten Tag mit den anderen Elefanten zu verbringen. Alle Nursery-Elefanten sammelten sich um ihn und begrüßten ihn auf das Herzlichste. Als kleiner Elefant, der bis eben noch auf sich allein gestellt war, neigt er jedoch dazu einfach allein ins Blaue zu wandern, so dass Lesanju und Lempaute ständig ein Auge auf ihn hielten und ihn jedes Mal zur Gruppe zurückholten. Sofort verstand er das Prinzip der Fütterungszeiten, setzt sich dann von der Gruppe ab und wartet noch vor der Zeit auf seine Milchflasche. Die Keeper konnten es kaum glauben! Seit seiner Ankunft gedeiht er prächtig und legt schnell an Gewicht zu.
Am 19. kam die kleine Suguta bei uns an, eine drei Monate alte Elefantenwaise aus dem fernen Norden in der Nähe des Turkana-Sees. Eines Morgens lief sie einfach auf einem Stück Samburu-Land umher, offenbar verlor auch sie ihre Mutter durch Wilderer. Sie wurde zum KWS-Quartier in Maralal gebracht, und später mit offizieller Genehmigung, die aus Tsavo (von Daphne und Angela) via Telefon organisiert wurde, aus Mugie ausgeflogen. Sie war extrem unterernährt und so schwach, dass sie auf dem Flug ins Koma fiel. Unserem Keeper Edwin gelang es zum Glück ihr eine Dosis Traubenzucker in eine Ohrvene zu verabreichen und rettete ihr damit das Leben. Bei der Ankunft in der Nursery um 14:30 Uhr war sie noch immer komatös und wurde von einem Tierarzt in Empfang genommen. Man brachte sie in Kimanas früheren Stall und nach einigen Infusionsflaschen (Traubenzucker, Hartmans Ringer-Lactat-Lösung) 10 ml Cortisol gegen den Schock, einen Vitamin-E-Selen-Komplex gegen Muskelschwäche und Vitamin B 12 als Energiequelle, erlangte sie das Bewusstsein wieder und nahm etwas Milch und Flüssigkeit zu sich. Am nächsten Morgen war sie allerdings wieder in einer sehr schlechten Verfassung. Es gab eine neue Infusion und einige Stunden später trank sie nochmals ein wenig Milch. Wenige Tage später kämpfte sie mit Durchfall, der für ein so schwaches Kälbchen lebensbedrohlich sein kann. Mit Kaolin und Kefir-Wasser konnten wir das Unglück Gott sei Dank abwehren. Seitdem hält sich die kleine Suguta wacker und wir sind guter Hoffnung, dass sie durchkommt. Ohne Keeper Edwin Lusichi hätte sie bis dahin jedoch keinesfalls überlebt.
Die Dynamik innerhalb der Nursery-Gruppe verändert sich ständig, obwohl einige Dinge immer gleich bleiben, so wie Kenias Antipathie gegenüber dem armen Shimba, der eigentlich so ein seenruhiger kleiner Bursche ist. Ständig sucht sie sich ihn zum Piesacken aus. Die Ankunft der beiden Babys erforderte ein weiteres Umarrangieren der Schlafplätze, was nie ohne Nachwirkungen abläuft, denn jede Abweichung in der täglichen Routine verunsichert die Elefantenbabys. Kimana musste ihren Platz zugunsten von Suguta räumen und wurde mit Shimba und Dida zusammengelegt, die in einem Doppelstall neben dem zweiten Neuankömmling, Taveta, schlafen. Kimana passte der Umzug überhaupt nicht, sie kam einige Nächte gar nicht zur Ruhe, schlief lieber tagsüber und drehte nachts ihre Runden im Stall! Nach einigen Tagen hatte sie sich jedoch damit abgefunden und beruhigte sich.
Sinya, die sich sonst immer für alle jüngeren Elefanten begeisterte, hat sich nun Dida als Liebling auserkoren und grollt mit den anderen, wenn sie zu nahe kommen. Lesanju und Lempaute sind nach wie vor die Leitkühe der Nursery-Gruppe. Wasessa hat sich gut eingelebt und ist nunmehr ein Bild von einem gesunden Elefanten. Sie weigert sich immer noch unerbittlich dagegen, dass man ihr eine Decke überwirft um sie vor der Kälte zu schützen und vereinnahmt Siria, ihren besten Freund, vollständig und will ihn mit niemandem teilen. Alle weiblichen Elefantenwaisen entkommen dem Trauma der Verwaisung nur langsam und entwickeln sich erst mit der Zeit zu liebevollen Kühen – so wird es auch ihr ergehen, wie schon vielen anderen vor ihr. Anfängliche seelische Störungen muss man einfach akzeptieren, nach allem, was diese Elefanten durchgemacht haben.
Lempaute treibt während des Schlammbades immer noch Schabernack mit den hiesigen Schulkindern – manchmal so überzeugend, dass sich eine Gruppe weigerte an den Schauplatz zurückzukehren! Sie jagte auch den Keepern einen ordentlichen Schrecken ein als sie einen Stein umkippte und darunter eine Schlange zum Vorschein kam, die sich auf die Keeper zu bewegte, während Lempaute in die andere Richtung davon stob! Siria ist ein sehr einfühlsamer und liebevoller kleiner Elefant, der von allen gemocht und besonders von Wasessa und Kenia vergöttert wird. Kimana hat genug Temperament um die anderen wegzustoßen, nur um ihnen zu zeigen, wer der Boss ist – ganz besonders Dida, die im Moment das Nachtquartier mit ihm teilen muss. Allerdings versteckt sie sich dann hinter Shimba!
Monatsbericht für die Ithumba-Gruppe: August 2008
Das Tagebuch der Keeper in Ithumba füllte sich diesen Monat mit vielen aufregenden Ereignissen, die das Kommen und Gehen der wilden Elefantenbullen dokumentieren. Diese suchen jetzt regelmäßig die Gesellschaft der Elefantenwaisen. Einer der Bullen war so konsequent in seinen Besuchen, dass er mittlerweile zum festen Bestandteil der Herde wurde und sogar einen Namen bekam – Rafiki. Er ist eine stattliche Erscheinung, groß, stolz und stark, und dennoch wirkt er unheimlich liebevoll und geduldig. Er bespaßt die Jüngsten, die anfangs ihre Neugier kaum halten konnten und jede Stelle seines Körpers ausgiebig begutachten mussten. Es scheint ihn zu amüsieren, dass die jungen Bullen ihn mit Erfurcht auf Schritt und Tritt folgen, und dass die kleinen Elefantenkühe ihn necken um seine Aufmerksamkeit zu erhaschen. Die ist ihnen auf jeden Fall sicher, besonders Yatta, die er bereits einige Male besteigen wollte. Yatta beginnt dann für gewöhnlich zu schreien und prescht in den Busch.
Yattas Gruppe zählt 11 unserer älteren Elefantenwaisen: die Gruppe mit den großen Kühen Yatta, Kinna, Mulika und Nasalot; ihre Lieblingskälber Orok und Ol Malo, die als einzige noch auf Milch angewiesen sind; sowie Taita, Napasha, Tomboi und Selengai. Wendi schließt sich nur noch dann und wann der Gruppe an. Routinemäßig ist es inzwischen so, dass die Stalltür der großen Gruppe nachts offen bleibt. Sie können somit selbst bestimmen, wann sie kommen und gehen. Selbst wenn sie nachts mit dem wilden Bullen unterwegs sind, beweisen Kinna, Yatta, Mulika und Nasalot stets Verantwortungsbewusstsein und bringen die beiden Jüngsten immer pünktlich zur nächsten Milchmahlzeit zurück zu den Stallungen. Sie werden dabei oft von Rafiki begleitet, der geduldig wartet bis sie mit ihrer täglichen Routine fertig sind und inzwischen vom geschnittenen Grünzeug und den Koprakuchen nascht.
Er hat sie unter seine Fittiche genommen und war diesen Monat fast täglich mit unseren Waisen zusammen. Die Elefantenpaten, die in diesem Monat Ithumba besuchten und das mittägliche Schlammbad verfolgten, bekamen mehr geboten als erwartet, denn Rafiki stimmte mit in das Spektakel ein. Er schien sich an den Zuschauern überhaupt nicht zu stören. Wenn Rafiki am Schlammbad teilnimmt, ziehen sich die kleinen Bullen hastig zurück und geben sich damit zufrieden ihren riesigen Freund vom Ufer aus bei seiner Abkühlung im grauen Tonerdeschlamm zu beobachten.
Weil er sich vor den Keepern überhaupt nicht fürchtet und mit ihnen und den Elefantenwaisen gemächlich durch den Busch schlendert, haben wir lange gegrübelt, ob er nicht einer unserer ganz frühen Waisen ist? Er wirkt so entspannt und lief einmal sogar mit den Elefanten in die Stallungen! Vielleicht irren wir uns ja in seinem Alter, denn nur der inzwischen 23-jährige Chuma käme von unseren alten Elefantenwaisen in Frage. Rafiki wirkt jedoch um einiges älter als das.
Die Anwesenheit von Rafiki lockte auch seine wilden Bullenfreunde an, die sich in Gegenwart der Waisen auch wohl zu fühlen scheinen. Natürlich saufen sie auch gern das frische Wasser aus der Stalltränke, allerdings bewegen sie sich längst nicht so selbstsicher im Stallgelände wie Rafiki. Die Besuche der wilden, stattlichen Elefantenbullen haben unsere kleinen Bullen schwer beeindruckt und zu noch mehr Kräftemessen als sonst inspiriert. Tomboi, Taita, Napasha, Rapsu, Kora, Madiba, Kamboyo, Zurura, Ndomot, Buchuma, Challa und Kenze sind fast nur noch mit Jungenspielen beschäftigt: drängeln, trampeln, schubsen und sich gegenseitig verprügeln. Dabei haben sie Rafiki immer heimlich im Augenwinkel um jede seiner Bewegungen nachzuahmen.
Obwohl die Gruppen jetzt mehr getrennt als gemeinsam unterwegs sind, so kommunizieren sie offenbar ständig miteinander. Wendi bleibt häufig lieber bei den Jüngeren, auch Taita geht es manchmal so, so dass es in der Besetzung der beiden Gruppen viel Bewegung gibt. Jeden Tag treffen sie sich irgendwann im Busch, allerdings werden besonders die älteren Kühe immer unabhängiger von der großen Gruppe. Mit den wilden Elefanten in ihrer Nähe, die ihnen bereitwillig zur Seite stehen, gelingt ihnen der nächste Schritt in die Unabhängigkeit von den Keepern und sie bleiben schon jetzt häufiger über Nacht im Busch als gewöhnlich. Es kommt jedoch trotzdem noch vor, dass die älteren Elefanten in ihren Ställen übernachten.
Das Trinkwasser im Stallgelände lockt in der Trockenzeit regelmäßig wilde Elefanten an, die mittlerweile auch die Keeper immer weniger scheuen und Tag und Nacht ihren Durst bei uns stillen. Auch andere Tiere wie Löwen, Wildhunde, Geparden, sowie Buschböcke, Kudus, Dikdiks und Warzenschweine kommen zum Saufen regelmäßig ins Stallgelände.
Ithumbas Neuzugänge Makena, Lenana und Chyulu haben sich inzwischen vollständig eingelebt und baden in der uneingeschränkten Aufmerksamkeit von Lualeni, Naserian, Loijuk und Sian. Sie haben sich in den Alltag in Ithumba eingelebt und es fällt immer schwerer sich an ihre Tage in der Nursery zu erinnern, weil sie in dieser neuen Umgebung zusammen mit ihren alten Freunden so glücklich wirken. Wendi unterhält auch weiterhin die Besucher des Waisenprojektes in Ithumba – sobald sie Zuschauer hat, kann sie das Schauspielern einfach nicht lassen.
Die Geschichten aus Ithumba erfüllen uns mit Ehrfurcht. Als Ithumba anstelle von Imenti als zweite Station in der Auswilderung der Elefantenwaisen geöffnet wurde, sah man nur ganz selten wilde Elefanten nördlich des Tiva-Flusses. Die wilden Elefanten, die sich in der Gegend aufhielten, waren sehr scheu, und die Anwesenheit der Keeper hinderte sie daran zu nahen Kontakt mit unseren Waisen aufzunehmen. All dies hat sich geändert und langsam aber sicher haben unsere 30 Elefantenwaisen die wilden Herden angelockt. In Ithumba wimmelt es buchstäblich von wilden Elefanten, und somit haben unsere jungen Elefantenwaisen einen ebenso regelmäßigen Kontakt zu ihren wilden Artgenossen wie die Gruppen in Voi.
Monatsbericht für die Voi-Gruppe: August 2008
Der August war im südlichen Gebiet des Tsavo East Nationalparks ein sehr trockener Monat. Es war außerdem der Monat der Waldbrände, und weite Teile des Parks fielen den Flammen zum Opfer. Diese Gebiete machen zwar momentan einen desolaten Eindruck, werden sich aber in einen Garten Eden verwandeln sobald die ersten Regentropfen fallen. Die Regenzeit steht unmittelbar bevor, und so wird es nicht lange dauern, bis sich die ersten neuen Sprosse ihren Weg bahnen und die Wildtiere aus den Steppengebieten anlocken. Momentan kann man die Straußenvögel dabei beobachten wie auf den abgebrannten Stellen Insekten aufpicken, die es nach einem Brand in Hülle und Fülle gibt. Unser Keeper-Team aus Voi patrouilliert die Gegend mit einem Fahrzeug der tierärztlichen Einheit und sucht nicht nur nach Spuren unserer Waisen, sondern auch nach Anzeichen von Tieren in Not um bei Bedarf Wunden von Schlingfallen, Speeren oder vergifteten Pfeilen etc. zu verarzten. Während Lissa und ihre Babys diesen Monat zusammen mit Mpenzi gesichtet wurden, fehlte von Emilys und Natumis Gruppe jede Spur.
Diese Tatsache kommt nicht überraschend, da Tsavo ein riesiges Gebiet ist mit zahlreichen Bereichen, die nicht einmal mit dem Geländefahrzeug zugängig sind. Sie scheinen mit den wilden Herden einfach weiter parkeinwärts gewandert zu sein. Das ist überhaupt kein schlechtes Zeichen, sondern wohl eher den Raubtieren verschuldet, die sich momentan um Mazinga Hill (dort wo sich auch die Ställe befinden) herumtreiben um den Beutetieren aufzulauern, die nach Feuern in der Irima- und Ndarasteppe in diese Region umgezogen sind. Da man den Tsavo-Löwen nicht über den Weg trauen kann, können wir uns sehr gut vorstellen, dass die jüngeren Elefanten deshalb einen großen Bogen um ihre alte Heimat machen. Auch unsere Zebrawaisen, Serena und Rongai, sind durch die Anwesenheit der Löwen sichtlich angespannt und die Keeper bleiben so nah wie möglich mit ihnen bei den Stallungen und meiden die üblichen langen Spaziergänge. Lissa und Mpenzi scheinen selbstsicher genug und werden nach wie vor auf dem Mazinga Hill gesichtet, wo sie sich am üppigen Pflanzenwuchs satt fressen. Gelegentlich machen sie einen Abstecher zum Wasserloch der Stallungen, und ab und zu haben sie sogar einen ihrer wilden Freunde im Schlepptau, die dank Lissas sanfter Überzeugungsarbeit mittlerweile verstanden haben, dass sie in der Nähe der Keeper sicher sind.