Monatsbericht für die Nursery-Gruppe:
Es war ein außergewöhnlich hektischer Monat in der Nairobi-Nursery. Drei weitere Elefantenbabies mussten gerettet und in die Nursery geflogen werden, so dass es mittlerweile 14 Elefantenwaisen in der Gruppe gibt – so viele hatten wir vorher noch nie auf einmal zu versorgen. Das zog natürlich auch eine Um- und Doppelbesetzung der Ställe nach sich, so dass alle verfügbaren Schlafquartiere belegt werden mussten und überstürzt eine neue Behausung für die größeren Elefanten gebaut wurde.
Der erste Neuankömmling erreichte uns am 7. September (wie immer ein Sonntag!): es war der 2 Wochen alte Kungu, ein winziger kleiner Bulle aus dem Namunyak Schutzgebiet in Nord-Kenia, der aus einer Sandgrube im steilen Ngongo Flußbett, etwa 4 km vom Sarara Safaricamp entfernt, gefunden wurde. Er traf völlig abgeschlagen und zerschrammt bei uns an, hat sich seitdem aber wacker geschlagen und gedeiht inzwischen prächtig.
Der nächste Neuankömmling war der 4 Wochen alte Barseloi, der von Stammesangehörigen in einer Sandgrube im Ndonyo-Flussbett, ebenfalls in Nord-Kenia, gefunden und dann in einer sehr dramatischen Aktion mit dem Helikopter gerettet wurde. Durch Hyänen aufmerksam gemacht, gelang es einem Wildhüter des Milgis Trust zusammen mit den Dorfbewohnern das Kalb zu befreien und den Kenya Wildlife Service zu alarmieren. Dieser brachte den kleinen Bullen nach außerhalb, was fast den ganzen 12. September andauerte. Wildhüter Lentekunye verbrachte die Nacht bei ihm, hielt ihn warm, tröstete ihn und gab ihm Wasser zu saufen, damit er nicht austrocknete. Starke Regenfälle überfluteten jedoch das Barseloi-Flussbett über Nacht, so dass er mit dem Kälbchen nicht zum nächstgelegenen Flugplatz des Hauptquartieres des Milgis Trust laufen konnte. Es folgten wilde Telefonanrufe, und dank der Hilfe von Jamie und Phillipa Roberts wurde Chris Stewart (der Pilot von Mr. Halvor Astrups Helikopter) im Shaba Nationalreservat ausfindig gemacht, wo er gerade den Helikopter flog. (Mr. Astrup ist seit langer Zeit ein sehr großzügiger Unterstützer des Trust, und ihm verdanken viele unserer Waisen, wie Lesanju, Seraa, Mweya aus Uganda, Solango und nun auch Klein Barseloi, ihr Leben.) Für seine Großzügigkeit und Hilfe stehen wir tief in seiner Schuld.
Der Helikopter holte das Elefantenkälbchen aus dem entlegenen Letakweny ab, und als er die bewaldete Mathew Bergkette überflog, begann das Kälbchen sich zu wehren, weil es sich vor den Geräuschen der schlagenden Rotoren fürchtete. Also musste auf dem Kitich-Rollfeld zwischengelandet werden. Der Rettungstrupp mitsamt der Cessna und den Keepern wartete in der Zwischenzeit jedoch schon am Shaba-Rollfeld auf das verwaiste Elefantenbaby. Also folgte eine weitere Welle an Telefonanrufen (das ist nicht einfach in Kenia) um das Rettungsflugzeug nach Kitich inmitten der Mathew-Bergkette umzuleiten. Die Zeit saß uns im Nacken! Als das Rettungsteam schließlich eintraf, fanden sie eine Ansammlung von bunt gekleideten Einheimischen vor, die das ungewöhnliche Spektakel aus der Nähe beobachten wollten. Sie waren gleichermaßen erstaunt über den Anblick des kleinen Elefanten, der im Schoß von Phillipa Robert im Schatten eines Baumes lag!
Wir stehen tief in Mr. Halvor Astrups Schuld, der uns wieder einmal seinen Helikopter zur Verfügung stellte. Außerdem verdanken wir Chris Stewart, dem Milgis-Wildhüter Lentekunye sowie Jamie und Phillipa Roberts das Leben des Kleinen Barseloi. Seine Rettung war die wohl dramatischte Aktion, die wir je durchzuführen hatten.
Bereits am 16. September wurde ein weiteres männliches Kalb gerettet, das auf ein Alter von etwa 14 Monate geschätzt wurde. Er wurde mehrere Male dabei beobachtet, wie er immer allein am Kilaguni Wasserloch im Tsavo-West Nationalpark trank. Dieses kleine Kalb namens „Mzima“ war bei seiner Ankunft äußerst schwach, und es grenzt an ein Wunder, dass er in diesem Zustand nicht den Hyänen oder Löwen zum Opfer fiel. Er hatte nicht einmal genug Energie um sich zu wehren und war ungewöhnlich fügsam für eine Waise seines Alters. Sofort akzeptierte er die Keeper und die Milch, die ihm angeboten wurde. Solch eine Zahmheit ist oft kein gutes Zeichen, doch wir sind glücklich berichten zu können, dass er sich wacker geschlagen hat und es ihm gut geht. Er fühlt sich offenbar wohl in seiner neuen Familie mit Elefanten und Menschen. Da er so lange keine Milch bekommen hatte, kann er nun nicht genug davon bekommen, doch weil er ein Fall von Unterernährung ist, muss die Behandlung bedacht durchgeführt werden. Randvoll mit Darmparasiten, musste er außerdem entwurmt werden. Das ist normal für Elefanten, die sich Futterplätze mit Nutztieren teilen mussten. (Unglücklicherweise treiben Viehhirten ihre Rinderherden immer häufiger in den Tsavo Nationalpark, und den Behörden scheinen politisch die Hände gebunden, sie des Schutzgebietes zu verweisen.)
Kungus geschwollenes Kinn hinderte ihn für einige Tage am Fressen, doch als die Schwellung zurückging, begann er auch zu fressen, sich zu erholen und zu wachsen. In der Zwischenzeit hat Suguta einen Abszess an einem ihrer Beine entwickelt und wird daraufhin behandelt. Die drei kleinsten Waisen verbringen ihre Tage noch in der Nähe der Stallungen, während die Älteren tagsüber zum Grasen weiter in den Busch wandern. Suguta hängt sehr an den Keepern und sucht ständig deren Trost, indem sie an ihren Händen saugt. Klein Barseloi und Kungu verbringen die meiste Zeit zusammen, und Barseloi zeigt schon erste Anzeichen von Übermut und versucht Kungu zu zeigen, wer der Stärkere ist, indem er ständig auf ihn aufsteigt.
Lesanju und Lempaute teilen sich die Pflichten der Leitkühe und werden dabei tatkräftig von Sinya unterstützt. Ihre Aufgabe stellt sich jedoch als äußerst anspruchsvoll dar, denn Taveta neigt dazu der Gruppe davonzuschleichen um der mit Milch beladenen Schubkarre den Weg in den Busch abzuschneiden. Eine Unsitte, die inzwischen auch Kimana, Wasessa und Mzima nachahmen! Lempaute ist sehr besitzergreifend gegenüber Lesanju und manchmal sehr abweisend gegenüber Sinya. Sie ist und bleibt das extrovertierte Mitglied der Gruppe, das immer und überall aufschneidet sobald sie Zuschauer hat.
Wasessa zeigt nach wie vor Verhaltensstörungen, die sich in Angst vor fremden Menschen und der Intoleranz gegenüber Neuankömmlingen in der Nursery besonders deutlich zeigt. Für eine Elefantenkuh, egal welchen Alters, ist das sehr ungewöhnlich. Dida wird von ihr eifersüchtig bewacht, Taveta und Mzima schubst sie weg sobald sie ihr zu nahe kommen. Taveta ist ein sehr freundlicher kleiner Elefant, immer dazu aufgelegt am Absperrungsseil entlang zu spazieren, das die Elefanten während des Schlammbades von den Besuchern trennt. Mzima hat angefangen dies nachzuahmen, was Taveta nicht sehr begeisterte, weil er dies als sein Privileg erachtet! Siria ist sehr gutmütig und liebevoll, freundlich zu allen, jedoch auf Konkurrenzkurs mit Shimba. Shimba wiederum ist der entspannteste Elefant in der Nursery, und hat inzwischen so viel zugenommen, dass er einem Fass auf kurzen Beinen gleicht!
Der Welle an Neuankömmlingen folgte ein überstürztes Umsortieren der Schlafquartiere. Das ist immer ein Störfaktor, und es dauert seine Zeit bis sich alle an die neuen Schlafplätze gewöhnt haben. Jedoch sind die Nächte hier ohnehin nie besonders ruhig, da sich Trompeten und Kollern von Elefanten mit all den anderen Klängen der Nacht vermischen. Sinya, Lesanju und Lempaute teilen sich nun einen neuen Stall. Kungu und Barseloi sind in zwei der drei vorderen Ställe untergebracht. Kenya und Suguta nächtigen in den beiden Seitenställen. Dida und Kimana teilen sich den größeren Schlafplatz, der vorher von Shimba besetzt war, mit Taveta nebenan. Siria wurde in den früheren Stall von Lesanju und Lempaute umgesetzt, und nebenan nächtigen Shimba und Mzima. Nur Wasessa und Kenya sind geblieben, wo sie waren.
Monatsbericht für die Ithumba-Gruppe:
Diesen Monat gab es viele Kontakte zu wilden Artgenossen zwischen den älteren Ithumba-Waisen, angeführt von Yatta (immer in Begleitung von 2 kleinen milchbedürftigen Satelliten: Orok als Nasalots Schatten und Olmalo, der schon immer Yattas Liebling war). Es ist inzwischen ganz alltäglich, dass sich Yattas Gruppe von den Jüngeren absetzt und ohne die Keeper in den Busch verschwindet. Die Elefantenwaisen, die immer noch der Hilfe der Keeper bedürfen, haben sich längst daran gewöhnt. Galana und Sunyei übernehmen dabei die Rolle der Mini-Leitkühe. Yattas Gruppe gesellt sich normalerweise entweder im Busch, beim Schlammbad oder abends in den Stallungen wieder zum Rest der Herde. Offenbar ist sie sich der Tatsache bewusst, dass Orok und Olmalo zu gegebener Zeit zurück sein müssen um ihre Milch mindestens einmal am Tag, manchmal auch 2 bis 3 Mal, zu trinken. Als hätte man es beschrien, verschwand Yattas Gruppe daraufhin für ganze 3 Tage in Folge, also am 9. und kehrte erst am 12. mit den beiden Jüngsten zur Milchmahlzeit zurück. Am 14. waren Yatta und ihre Gruppe für insgesamt 40 Stunden verschwunden, so dass Orok und Olmalo wiederholt ihre Milch nicht bekamen. Offenbar haben sie ihr das schwer übelgenommen. Danach sorgten sie selbst dafür ihre Milch mindestens einmal täglich zu erhalten. Am 23. wurden sie von Mulika und Kinna eskortiert. Einmal kamen die beiden sogar ohne Begleitung um sich ihre Milch abzuholen, doch Yattas Gruppe wartete in der Nähe auf ihre Rückkehr.
Manchmal, wie am 20., kommt es auch vor, dass die gesamte Waisenherde den Tag gemeinsam verbringt. Eine Nacht blieben sie auch in den Stallungen, wobei ihnen das Tor immer offenstand, falls sie sich doch umentschieden um ihre wilden Besucher- zu begleiten, die diesen Monat regelmäßig die Wassertränke im Stallgelände aufsuchten.
Rafiki und viele andere wilde Bullen zählten in diesem Monat zu den regelmäßigen Besuchern an der Stalltränke. Die Wasserpumpe war im Grunde ständig am Arbeiten! Am 4. brachte Rafiki einen neuen Freund mit, und beide schlossen sich Yattas Gruppe an, als diese nachts zum Grasen die Stallungen verließen. Zwei andere Bullen wurden am 8. beim Saufen an der Tränke beobachtet, und zwei weitere kamen am 10. Einer von beiden kehrte später zurück und zeigte großes Interesse an Kinna. Rafiki kam am 11. mit einem weiteren Freund, und obwohl Yatta an diesem Tag ohne sie in den Busch verschwand nachdem sie die Jüngsten zurück gebracht hatte, folgten ihr die beiden Bullen später nach. Am Abend des 15. kamen drei wilde Bullen zum Saufen, wenig später gesellten sich noch 4 weitere hinzu, und um 19 Uhr lag die Zahl der wilden Elefanten, die an der Tränke ihren Durst stillten, bei 11!
Rafiki und zwei seiner wilden Freunde folgten Yattas Gruppe am 16., am 21. kam er in Begleitung von 6 wilden Elefanten als Yatta und ihre Gruppe sich am Abend an der Tränke aufhielten. Später verschwanden sie alle gemeinsam in der Nacht. Am 22. tranken drei wilde Bullen im Stallgelände, und am 25. reihte sich noch ein Neuling in die Gruppe der Durstigen ein, der sich allerdings erst spät abends an die Tränke traute. Zeitig morgens am 27., um 6 Uhr, sah man einen einzelnen wilden Bullen saufen, dem ein weiterer um 7:30 Uhr folgte, und noch ein anderer kam wenig später. Am Morgen des 29. kehrte Rafiki erneut mit einem seiner wilden Freunde zurück. Abends sah man sie zuerst mit Napasha, und später versammelte sich auch der Rest von Yattas Gruppe um sie, und gemeinsam verließ der Trupp das Stallgelände um die Nacht im Busch zu verbringen. Wann immer die Waisen auf ihre wilden Bekannten treffen, werden sie stürmisch begrüßt mit jeder Menge Gekoller, Trompeten, Urinieren, und vor allem wird versucht den Älteren zu imponieren! Rafiki hat offenbar die Nachricht über eine Wasserquelle im Stallgelände herumposaunt, und da alle Besucher Yatta offenbar kennen, sind sie überhaupt nicht aggressiv gegenüber den Keepern, falls diese einmal mit den jüngeren Elefanten in der Nähe sind.
Unsere Waisen haben nicht nur die wilden Elefanten ins nördliche Tsavo zurückgebracht und sie an die Anwesenheit ihrer menschlichen Weggefährten gewöhnt, nein, sie haben vielmehr auch den Anwohnern der umliegenden Siedlungen gezeigt, was es mit dem wahren Charakter dieser sanften Riesen auf sich hat. Regelmäßig holt der Trust Schulkinder ins Stallgelände, so dass die Kinder einmal Elefanten aus der Nähe beobachten, in Kontakt kommen und über sie lernen können. Zum allerersten Mal in ihrem Leben, wurde diesen Einheimischen ein Blick auf die andere Seite ermöglicht, durch Menschen, die das Privileg genießen von den Elefanten geliebt und als Teil ihrer Familie angesehen zu werden. Das Bild, das die Schulkinder bis dahin hatten, erschien auf einmal in einem völlig anderen Licht. Sie sehen wie unheimlich sanftmütig und in ihrem Verhalten den Menschen so ähnlich die Elefantenwaisen sein können. Sie bekommen erzählt, wie die Elefanten ihre Keeper beschützen, wenn sie gemeinsam im Busch unterwegs sind; dass Elefanten ihre Babies aus ganzem Herzen lieben und sich mit ganzer Kraft um sie kümmern – genauso wie die Menschen. Sie hören die Geschichten über Yattas Gruppe, die Olmalo und Orok pünktlich zur Milchmahlzeit zurückbringen und wie sie ihre wilden Freunde zum Kennenlernen mitgebracht haben, so dass diese lernen, dass nicht alle Menschen eine Bedrohung sind, sonders dass es ebenso friedfertige und liebevolle Menschen gibt, die den Elefanten nur das Beste wollen. Kein Stammesangehöriger der Wakamba würde diese Dinge glauben, hätte er sie nicht mit eigenen Augen gesehen, geschweige denn hätte er einen Elefanten angefasst, der ihn um einiges überragt. Der Aufseher berichtete später, dass die Ehefrau eines Wilderers so gerührt war von allem, was sie gesehen hatte, dass sie sich von ihrem Mann scheiden lassen würde, sollte er einem Elefanten jemals wieder etwas zu Leide tun!
Monatsbericht für die Voi-Gruppe:
Auch in diesem Monat sahen die Voi-Waisen keinen Grund zur Rückkehr in ihre alten Stallungen. Das ist schon überraschend, da die Trockenzeit derzeit ja ihren Höhepunkt erreicht hat und sowohl Futter als auch Wasser knapp werden. Allerdings wurden Emilys und Natumis Gruppezweimal zusammen inmitten einer wilden Herde in der Nähe der Ngutuni Ranch gesichtet, wo es mehr Futtermöglichkeiten gibt. Uaso, Mpenzi und Lissa mit ihren beiden Babies waren auch dabei, und alle befanden sich in einem guten Zustand. Völlig außer sich vor Freude ließen sie es sich jedoch nicht nehmen, ihre Keeper kurz zu begrüßen, bevor sie zu ihren wilden Freunden zurückkehrten. Dieses Ereignis wurde zufällig sogar von einem deutschen Filmteam festgehalten.