Olkeju kam bereits vor etwa einem Monat bei uns an. Seine schlechte Verfassung gab uns allerdings nur wenig Hoffnung, dass er durchkommen würde. Jetzt, drei Wochen später, sind wir daher umso glücklicher, zu berichten, dass es ihm viel besser geht. Hier erfahren Sie die tragische Geschichte des kleinen Kälbchens.
Der 29. April 2009 war sowohl ein Glück verheißender als auch ein hektischer Tag in der Nairobi Elefanten-Nursery. Es galt den Umzug der 3 älteren Waisen Lesanju, Lempaute und Sinya in die Auswilderungseinheit nach Tsavo zu organisieren, und außerdem stand eine weitere Rettungsaktion an. Dieses Mal auf der Mugie Ranch in Laikipia, wo eine Elefantenkuh, die den Mitarbeitern der Ranch bereits aus den vergangenen 10 Jahren wohlbekannt war, einem langwierigen Abszess an ihrer Flanke erlag. Als die Kuh am 16. April starb, befand sie sich gerade in der Laktation und hinterließ ein sehr junges Baby, das eigentlich noch lange Milch brauchte. Als ihr lebloser Körper gefunden wurde, war das Kälbchen noch in seiner Herde unterwegs. Die riesige Beule an ihrer Flanke belastete sie schon lange, und nach der Geburt des vorherigen Kalbes war sie sogar teilweise gelähmt. Wahrscheinlich erging es ihr nach der jetzigen Niederkunft ähnlich. Im Gewebe der Schwellung wurde in der Autopsie kein Fremdkörper gefunden, so dass die Ursache des Abszesses nach wie vor ein Rätsel bleibt.
Ihr Kälbchen war erst 6 Wochen alt und wurde nach ihrem Tod in der Herde aufgespürt. Allerdings konnte es erst 100%-ig identifiziert werden, als es zunehmend schwächer wurde und immer häufiger hinter der Gruppe zurückblieb. Um die letzten 2 Wochen zu überstehen, war es ihm offenbar gelungen, etwas von der Muttermilch einer anderen laktierenden Kuh in der Herde etwas abzubekommen, denn es wurden in der Gruppe noch drei andere Kälbchen in seinem Alter gezählt. Offenbar reichte die Milch aber nicht, um auch ihn auf Dauer mit durchzubringen.
Dieser kleine Elefant wurde mit Hilfe eines Teams der Britischen Armee eingefangen, die zu dieser Zeit auf einer Trainingsexpedition in den Bezirken Laikipia und Samburu in Nordkenia zu Gast war. Und just an diesem Tag hielt sich das Team auf der Mugie Ranch auf. Captain J.E. Faull (der zufälligerweise auch in Kenia geboren wurde) hatte das Kommando über die Gruppe, beriet sich mit der Leitung der Mugie Ranch und den Wildhütern des KWS, und gemeinsam plante man die Rettungsaktion. Das geschwächte Kälbchen war zu diesem Zeitpunkt schon hinter die Herde zurückgefallen, allerdings noch in Begleitung einer erwachsenen Kuh aus der Gruppe. Es wurde entschieden, dass Captain Faull mit dem Bedford-Truck der Armee zwischen das Kälbchen und die Kuh fahren sollte, während der „Bodentrupp“ mit einer Decke in die Richtung des Babys laufen, es überwältigen und auf die Ladefläche ihres Pickups hieven sollte. Der Armeetruck war jedoch zu schwerfällig und konnte nicht schnell genug durch den Busch manövriert werden. Während sich das Fahrzeug durch Büsche und umgestürzte Bäume kämpfte, begann die Kuh den Fluchtweg einzuschlagen – und mit ihr auch das geschwächte Kälbchen. Der Bodentrupp wollte die Gelegenheit beim Schopfe packen, ließ sofort die Ladeklappe des Pickups herunter und machte sich daran, die Decke über das Kälbchen zu werfen, um es einzufangen. Die Kuh drehte sich um und machte eine gefährliche Drohgebärde, und da zwischen ihr und dem Trupp nur 30 Schritte lagen, war die Situation äußerst brenzlig für alle Beteiligten. Ein Blitzgedanke von einem der Mugie-Wildhüter rettete den Tag. Er trat einen Schritt vor und feuerte einen Schuss über den Kopf der wütenden Elefantenkuh ab. Dieser Schreckmoment brachte den Wildhütern den entscheidenden Vorsprung, den sie brauchten um den Truck in eine schützende Position zwischen die Elefantendame und das Einsatzkommando zu bringen! Und glücklicherweise ging die Geschichte somit glimpflich aus. Das Baby wurde eingefangen und zur Landebahn der Mugie Ranch gefahren, wo man auf das Rettungsflugzeug wartete. Das wurde erst losgeschickt, als bestätigt wurde, dass das Kälbchen eingefangen war.
Das Elefantenbaby war extrem ausgetrocknet und entkräftet. Noch auf der Landebahn drohte es zusammenzubrechen und so wurden die 2 Stunden Wartezeit auf das Flugzeug zur gewaltigen Nervenprobe für das Rettungsteam. Das Team des David Sheldrick Wildlife Trust verabreichte dem Baby auf dem Flug schließlich eine Glukose-Infusion in seine Ohrvene, und bei seiner Ankunft in Nairobi hatte er 2 weitere Liter Flüssigkeit mehr in seinem Körper – schon über Nacht besserte sich sein Zustand. Da sein Körper von schlimmen Schürfwunden übersät war, wurde er auch gleich dahingehend behandelt. Ein gutes Zeichen war, dass er einen Bärenhunger zu haben schien. Ohne Zögern nahm er die Milch und die Trinkmischung zur Rehydrierung zu sich. Nicht anders als die anderen Waisen, war auch seine erste Nacht sehr unruhig; doch schon am nächsten Morgen schien er durchaus entspannt. Am meisten hat uns gefreut, dass seine Schürfwunden zu heilen begannen – ein Hoffnungsschimmer. Der Manager der Mugie Ranch hatte uns gebeten, ihn Olkeju zu nennen, was in der Sprache der Samburu soviel heißt wie „Fußabdruck“. Außerdem war dies auch der Name des kleinen Baches an dem seine Mutter starb und wo er eingefangen wurde. Seinen Rettern aus der Armee wird er immer als „Johnny Olkeju“ in Erinnerung bleiben, denn Johnny werden alle Britischen Soldaten in Nordkenia genannt.
Ein bis zwei Tage später besuchten ihn die Soldaten in der Nursery. Sie freuten sich sehr, dass er noch lebte, wenngleich er einen ziemlich ausgemergelten und schwachen Eindruck machte. Sie werden den Werdegang des kleinen Johnny Olkeju mit Sicherheit weiterverfolgen, denn schließlich hat er ihre Trainingsexpedition nach Nordkenia zu einem äußerst denkwürdigen Erlebnis gemacht und sich einen ganz besonderen Platz in ihren Herzen erobert.