Es war lange Zeit nicht klar, wie Mayans Geschichte ausgehen würde. Er ist wohl eines der Wunder des Sheldrick Wildlife Trust (SWT), wenn nicht gar das Wunderbaby schlechthin! Seine Rettung war eine regelrechte Saga – mit vielen Höhen und schrecklichen Tiefen. Und während eines Großteils seiner Kindheit hing sein Überleben am seidenen Faden.
Es begann am 5. Dezember 2018, als der Kenya Wildlife Service (KWS) einen Anruf aus dem Manyani-Gefängnis erhielt. Während ihrer morgendlichen Runde hatten die Wärter am Boden der Klärgrube des Gefängnisses ein Elefantenkalb entdeckt. Sein winziger Körper war vollständig untergetaucht, nur sein Rüssel ragte wie ein Schnorchel aus dem Abwasser. Wir können uns die Qualen seiner Familie nur vorstellen, der klar gewesen sein muss, dass es einfach unmöglich war, ihn dort herauszuholen! Es war eine gefährliche Stelle für Elefanten, und so waren sie wohl letztendlich gezwungen, das Baby zurückzulassen.
Es gab keine Hoffnung mehr, ihn wieder mit seiner Herde zu vereinen, also organisierte der KWS eine Rettungsaktion, als sie den Bericht aus dem Gefängnis erhielten. Dr. Poghon von der mobilen Tierarzteinheit von KWS/SWT in Tsavo machte sich auf den Weg zum Gefängnis, ebenso wie das Anti-Wilderei-Team des SWT aus Burra. Sie hievten ihre winzige Ladung in ein Transportfahrzeug und fuhren den kleinen Bullen zur Auswilderungsstation in Voi, wo er einer gründlichen (und dringend nötigen) Reinigung unterzogen wurde. In der Zwischenzeit flog der Helikopter des SWT nach Voi, um das Kalb abzuholen und ins Waisenhaus nach Kaluku zu bringen: Angesichts seines zarten Alters und seines äußerst fragilen Zustands bot Kaluku ihm die besten Überlebenschancen. Das Kalb wurde Mayan genannt.
Die Rettung eines Elefantenbabys ist eine gewaltige Herausforderung – aber nach Mayans Unglück in der Klärgrube kam noch eine ganze Reihe Komplikationen hinzu. 1993 wurde Emily, damals in einem ähnlichen Alter, aus einer ähnlichen Situation gerettet, und sie brauchte fast vier Monate, um sich zu erholen. Die Keeper bereiteten sich auf einen erneuten harten und langen Kampf vor, um den kleinen Mayan durchzubringen.
Trotz seiner schrecklichen Tortur schien es zunächst so, als würde Mayan alles gut wegstecken. Nachdem er mit Antibiotika behandelt wurde, um eine Infektion abzuwehren, trank er zunächst seine Milch gut und nahm zu. Aber dann setzte die gefürchtete Zeit des Zahnens ein – eine gefährliche Periode für jedes Elefantenbaby, in der vier riesige Backenzähne durch das Zahnfleisch stoßen. Dabei verschlechtert sich normalerweise der körperliche Zustand der Waisen immens, und die Phase erweist sich für sie sehr oft als lebensbedrohlich.
So war es auch bei Mayan. Die Keeper taten alles, was sie konnten, aber er wurde immer schwächer. Auch nachdem seine Backenzähne durchgekommen waren, ging es mit ihm weiter bergab. Monatelang sah er aus wie der Schatten eines Elefanten, der an der Schwelle zwischen Leben und Tod stand. Er war fast täglich unterzuckert und brauchte intravenöse Infusionen, um wieder zu Kräften zu kommen. Seine Keeper gaben jedoch niemals auf. Selbst als alles verloren schien, blieben sie optimistisch.
Nach drei Monaten war klar, dass es nicht ewig so weitergehen konnte. Nach so vielen Infusionen begannen die Venen in Mayans Ohren schon zusammenzufallen. Die Infusionen waren jedoch das einzige, was ihn am Leben hielt. Aber dann, gerade als es schien, als wäre alle Hoffnung verloren, geschah das Wunder: Er schaffte es zwei Tage ohne Zusammenbruch, und daraus wurden erst zwei Wochen und dann zwei Monate.
Daphne Sheldrick pflegte zu sagen, dass man am Feuer in den Augen eines Waisen-Elefanten ablesen könne, ob er überleben würde. Für Mayan hatte dieser Satz eine ganz besondere Bedeutung, denn das erste, was an Mayan auffällt, sind seine Augen. Sie haben eine ganz besondere, goldene Farbe, wie die Keeper es noch bei keinem Elefanten zuvor gesehen hatten. Als seine honigfarbenen Augen wieder zu echtem Leben erwachten, wussten die Keeper, dass er es schaffen würde!
Von diesem Moment an startete Mayan durch! Er wurde sofort in die kleine Herde von Lemeki und Thamana aufgenommen – und wollte wohl unbedingt die verlorene Zeit aufholen. Kaum hatte er genug Kraft, um mit ihnen Schritt zu halten, schloss er sich mit Begeisterung den Spielen und kleinen Elefanten-Rangeleien an. Obwohl Lemeki den (alles in allem berechtigten) Ruf hat, sehr egozentrisch zu sein, kümmerte sie sich doch sehr liebevoll um den kleinen Mayan. Sie erkannte, dass er besondere Pflege benötigte, und spendete ihm immer viel Zuneigung.
Doch dann schlug das Unheil ein zweites Mal zu. Zum großen Entsetzen seiner Keeper bohrte sich ein Ast in Mayans Auge und ließ ihn teilweise erblinden! Sein herrliches Honigkugel-Auge wurde zu einem unheilvollen, milchigen Weiß, und alle fragten sich, ob dieses Auge jemals wieder sehen würde. Wieder schien die Hoffnung verloren zu sein, aber wieder gaben die Keeper nicht auf. In enger Zusammenarbeit mit einem Augenspezialisten folgten sie gewissenhaft einem Behandlungsprotokoll, das ihn wieder sehen lassen sollte. Im Laufe vieler Wochen kehrte langsam die Honigfarbe in sein Auge zurück, und zur großen Erleichterung aller war schließlich sein Augenlicht wiederhergestellt!
Mayan hat in der bunten Waisen-Truppe in Kaluku eine sehr abwechslungsreiche Kindheit erlebt. Er fühlt sich inmitten der so unterschiedlichen verwaisten Tiere – von Nashörnern über Giraffen und Büffel bis hin zu Antilopen aller Arten – sehr zu Hause. Mayans bester Freund ist jedoch Vaarti. Dieser kleine Elefantenbulle war zehn Monate nach Mayan gerettet worden, und seitdem sind die beiden unzertrennlich. Sie albern im Tandem auf dem Gelände in Kaluku herum und bringen alle mit ihren Späßen zum Lachen.
Mayans gesundheitliche Schwierigkeiten haben sich auf sein Wachstum ausgewirkt, und er ist für sein Alter ziemlich klein. Was ihm jedoch an Größe fehlt, macht er durch seinen Charakter wett: Mayan ist ein Optimist. Selbst während seiner gesundheitlich schwierigsten Phasen ließ er sich nie unterkriegen – und deshalb ist er heute noch am Leben! Er sah sich mit einem gewaltigen Kampf ums Überleben konfrontiert, und die meisten Elefantenbabys wären dieser Herausforderung wohl nicht gewachsen gewesen. In seinem winzigen Körper mit seinem fröhlichen Auftreten steckt ein kämpferischer Geist: Mayan ist durch und durch ein Löwenherz!