Amboseli war zum Jahreswechsel 2024/2025 besonders schön, da es ergiebige Regenfälle gegeben hatte, die ein üppiges Pflanzenwachstum zur Folge hatten. Insgesamt waren im Dezember 80 mm Regen gefallen und im Januar dann weitere 44 mm. Die Niederschläge und die Vegetation kamen sowohl den Wildtieren als auch dem Vieh der benachbarten Bevölkerung zugute, die sich einen Großteil des Amboseli-Ökosystems teilen. Regenreiche Zeiten sind für die Schutzbemühungen immer eine große Erleichterung, da die Konkurrenz zwischen Vieh und Wildtieren dann stark abnimmt und Konflikte sich deutlich reduzieren. In der Zeit des Jahreswechsels versammelten sich die Elefanten von Amboseli in großen Gruppen, um ihre sozialen Kontakte und Beziehungen zu erneuern, Informationen auszutauschen und einfach die gemeinsame Zeit zu genießen. Elefanten sind hochsoziale Tiere, die oft eine Vielzahl von Freundschaften pflegen, welche sich keineswegs auf die Mitglieder der eigenen Familie beschränken, sondern auch Angehörige benachbarter Gruppen mit einbeziehen.

Wie immer in Zeiten reicher Regenfälle hatten viele Familien und unabhängige Bullen den Park verlassen, um außerhalb liegende Gebiete zu nutzen. Es gab aber auch Familiengruppen, welche lieber die meiste Zeit innerhalb der Parkgrenzen blieben, beispielsweise die AAs und PCs, und wieder andere, welche regelmäßig zwischen den innerhalb und außerhalb liegenden Weidegründen hin- und herpendelten, darunter die KBs.
Die AA-Familie hatte sich während der letzten Monaten gut entwickelt. Sie hielten sich häufig im Zentrum des Parks auf und kamen oft sogar in die Nähe des Camps vom Amboseli Trust for Elephants (ATE). Angelina und Abra waren oft zusammen unterwegs, begleitet von ihren Kälbern, die ein ähnliches Alter haben. Trotz der unterschiedlichen Geschlechter sind die beiden Kälber in diesem frühen Alter noch hervorragende Spielkameraden. Erst später tendieren männliche und weibliche Kälber zu etwas unterschiedlichem Spielverhalten.

Mehrere Familien durften sich über neuen Familienzuwachs freuen: So brachte beispielsweise im Dezember Garamba von den GBs ein weibliches Kalb zur Welt und Flossie von den FBs im Januar ein männliches. Für Flossie, mit 42 Jahren die älteste Kuh ihrer Familie, ist es bereits das achte Kalb, doch haben die zuvor geborenen sieben leider alle nicht überlebt. Die meisten ihrer Kälber starben während der Dürreperioden, was daran erinnert, wie raue Umweltbedingungen das Leben der Elefantenfamilien beeinträchtigen können.
Auch für Garamba war die Geburt ihres neuesten Kalbs etwas ganz Besonderes, da sie ihre letzten drei Kälber durch Dürreperioden verloren hat und nur Gakuo, geboren 2011, noch lebt. Da die derzeitigen klimatischen Bedingungen günstig sind, ist das ATE-Team zuversichtlich, dass der jüngste Zuwachs gut gedeihen wird.

Von den EBs bekam das ATE-Team nur den Teil, der von Enid geführt wird, zu sehen – und auch das nur dreimal im Dezember. Enid, inzwischen 43 Jahre alt, führt das Erbe ihrer Mutter, der berühmten Matriarchin Echo, fort. Während die EBs unter Echos Führung einst zu den größten Familien in Amboseli gehörten, spalteten sie sich nach Echos Tod in drei Gruppen auf – ein Beleg dafür, wie tiefgreifend sich der Tod einer Matriarchin auf die Struktur einer Elefantenfamilie auswirken k.
Im Fall der EBs haben sich über die Jahrzehnte auch ihre Bewegungsmuster stark verändert. Zu Echos Zeiten blieben sie fast das gesamte Jahr innerhalb des Parks und verließen diesen meistens nur einmal im August, um bis zum Kilimanjaro im benachbarten Tansania zu ziehen. Inzwischen sind die EBs viel häufiger außerhalb der Parkgrenzen unterwegs. Dies zeigt, wie Führungswechsel, veränderte Umweltbedingungen und die menschliche Entwicklung das Verhalten von Elefantenfamilien stark beeinflussen können.

Die Rolle der Matriarchin bei der Entscheidungsfindung wird durch ihre Erfahrung, die Familiengröße, den Reproduktionsstatus und die Verfügbarkeit von Ressourcen bestimmt. Da erfreulicherweise immer mehr zusätzliche Schutzgebiete außerhalb des Nationalparks entstanden sind, ist es gut möglich, dass die EBs neue Weidegründe gefunden haben, die ihnen zusagen. Da der Amboseli-Nationalpark relativ klein ist, waren die Elefanten schon immer darauf angewiesen auch außerhalb nach Nahrung zu suchen. Mit dem Wachsen der menschlichen Bevölkerung wurde dies zunehmend schwieriger. Doch intensive Bemühungen verschiedener NGOs und die Bereitschaft der benachbarten Gemeinden zur Kooperation mit ihnen ermöglichten es den Elefanten und anderen Wildtieren weiterhin, den dringend benötigten Lebensraum zu sichern, in dem neue Schutzgebiete geschaffen und Wanderkorridore offengehalten wurden.
Die Bewegungsmuster werden nicht nur von den Vorlieben der Matriarchin bestimmt. Andere Faktoren wie Niederschlagsmengen, Nahrungsverfügbarkeit und die Präsenz menschlicher Aktivitäten spielen eine wichtige Rolle. In den Gebieten um die Parkgrenzen, die häufig von Maasai-Hirten genutzt werden, wurde in jüngerer Zeit viel gebaut: Häuser, Schulen und Farmen. All das kann die Wahl der Familien beeinflussen. Enids Entscheidung, ihren Teil der Familie weg von den zentralen Amboseli-Sümpfen zu führen, könnte eine Reaktion auf die zahlreichen Veränderungen sein, von denen das Amboseli-Ökosystem im Laufe der Jahre betroffen war.

Das Wissen, das von Echo an Enid und ihre Verwandten weitergegeben wurde, unterstreicht die Bedeutung der Matriarchinnen für die Gestaltung des Familienverhaltens. Während Enid ihre Familie durch eine sich verändernde Landschaft führt, werden ihre Entscheidungen einen bleibenden Einfluss auf künftige Generationen haben und uns an die Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit der Elefanten in Amboseli erinnern.
(Leider haben wir für diese Zeit keine aktuellen Fotos von Enids Gruppe. Wir zeigen daher einige ältere Bilder. Alle Fotos © Amboseli Trust for Elephants )